Kriegsgipfel oder Friedensgipfel?
Wolodomyr Selenskij drängt auf den „Friedensgipfel“ in der Schweiz. Doch was ihm vorschwebt, ist einmal mehr nur ein „Kriegsgipfel“ ohne russische Beteiligung.
(KL) – Rund 100 Länder will Wolodomyr Selenskij in der Schweiz zu einem „Friedensgipfel“ zusammentrommeln, um darüber zu sprechen, „mit welchen diplomatischen Mitteln man Russland zu einem fairen Frieden zwingen kann“. Faktisch dürfte es allerdings eher darum gehen, wie die Ukraine die momentan drohende militärische Niederlage abwenden kann. Um Diplomatie wird es dabei also weniger gehen, denn Russland soll explizit nicht zu diesem Gipfel geladen werden. Also soll es erneut eine „Geberkonferenz“ werden, bei der Selenskij weitere Milliarden und Waffensysteme einsammeln will. Doch wird er sich beeilen müssen, denn sollte im November Donald Trump erneut zum amerikanischen Präsidenten gewählt werden, ist es mit dem Fass ohne Boden vorbei – ab einer eventuellen Wiederwahl Trumps darf die Ukraine nur noch auf Kredit Waffen in den USA kaufen und muss zusehen, wie sie die Situation managt.
Doch ein Friedensgipfel setzt per Definition voraus, dass beide Kriegsparteien, gemeinsam mit Vermittlern, an einem Tisch sitzen und darüber sprechen, wie ein Krieg beendet werden kann. Somit hat ausnahmsweise der russische Außenminister Sergeij Lawrow Recht, wenn er sagt, dass ein Friedensgipfel ohne russische Beteiligung eine Farce sei. Ob Russland tatsächlich zu Friedensgesprächen bereit ist, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt.
Zu einem Zeitpunkt, zu dem selbst der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg angesichts der immer konkreter drohenden militärischen Niederlage der Ukraine empfielt, darüber nachzudenken, welche Kompromisse Kiev machen könnte, dient diese „Geberkonferenz“, sofern sie denn stattfindet, lediglich dazu, den Krieg in der Ukraine zu verlängern.
Inzwischen haben auch militärische Laien verstanden, dass die ukrainische Voraussetzung für Verhandlungen, nämlich dass der letzte russische Soldat ukrainisches Territorium verlassen hat, nicht mehr eintreten wird. Russland hat sich in den vier annektierten Regionen festgesetzt und macht ständig kleinere Fortschritte an der Front, wo die ukrainische Verteidigung immer schwächer wird. Umgekehrt sind auch die russischen Forderungen unannehmbar, was allerdings in der Praxis bedeutet, dass es ohne Vermittlung nicht gehen wird. Doch gibt es genügend Beispiele aus dem letzten Jahrhundert, bei denen Kriege durch solche Mediationen tatsächlich beendet wurden.
Dabei geht es natürlich nicht um die Frage, wer der Aggressor und Brecher des Völkerrechts ist, sondern es geht um die Frage, ob man das ukrainische Volk opfert, um die annektierten Landstriche zurückzuerobern, was militärisch ausgeschlossen erscheint.
Gleichzeitig muss man festhalten, dass die Ukraine seit Wochen ebenfalls Angriffe auf Russland fliegt, bis 1200 km hinein ins russische Hinterland, mit Drohnenangriffen auch auf Moskau. Dabei hatte Selenskij zugesagt, dass Angriffe auf russisches Territorium „selbstverständlich“ mit den Partnern abgestimmt würden – wobei es interessant wäre zu erfahren, welche westlichen Regierungen Angriffen auf Moskau, Sankt Petersburg oder Ekaterinenburg am Fusse des Urals zugestimmt haben. Oder will Selenskij noch heftigere Gegenschläge von Russland provozieren, damit die westlichen Partner dann doch noch mehr Geld und Waffen zur Verfügung stellen?
Die „Strategie“, unbegrenzt Milliarden und Waffen in die Ukraine zu pumpen, hat sich in zwei Jahren als ziemlich erfolglos herausgestellt und das alleine sollte schon ein Grund sein, die Strategie zu ändern.
Offiziell heißt es, dass der „Friedensgipfel“ in der Schweiz dazu dienen soll, „diplomatische Wege auszuloten, mit denen man Russland zu einem fairen Frieden zwingen kann“. Doch mit wem wird Selenskij darüber sprechen können? Doch nur mit Ländern, die ihre eigenen Sanktionen gegen Russland unterlaufen, weiterhin blendende Geschäfte mit Russland tätigen und munter weiter Putins Kriegskasse füllen. Dass Putin in einer solchen Situation wenig Veranlassung sieht, die Forderungen der Ukraine zu erfüllen, erscheint klar. Dass, wie Stoltenberg es anregt, die Ukraine Kompromisse machen muss, erscheint ebenso klar. Doch diese will die Ukraine nicht machen, sondern „bis zum letzten Mann kämpfen“. Das ist ihr gutes Recht, doch nicht zwangsweise ein Grund für den Westen, sich von Putin und Selenskij den III. Weltkrieg aufzwingen zu lassen. Aufgabe aller Beteiligten müsste es sein, eine weitere Eskalation dieses Krieges zu stoppen, statt alles daran zu setzen, dass dieser Krieg weiter eskaliert und endlos dauert und dabei weitere Hundertausende Menschenleben kostet.
Dass es in einer solchen Situation extrem schwierig ist, sich mit Russland an einen Tisch zu setzen, ist klar. Und dennoch wird es dazu keine Alternative geben, denn eine Friedensperspektive kann nur unter Mitwirkung beider Seiten erarbeitet werden, so schwierig das auch sein mag. Der Gordische Knoten, der sich in der Ostukraine gebildet hat, wird gelöst werden müssen, so oder so. Und da erscheint ein „Friedensgipfel“ ohne Russland und seine Verbündeten wenig zielführend.
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