Kriegslügen

Die Rote Armee führt einen Vernichtungskrieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung. Nach jedem Massaker oder tödlichen Raketenangriff heißt es aus Moskau: Das waren wir nicht.

Und am Ende sollen wit den Russen glauben, dass sich die Ukraine selbst überfallen hat? Foto: Still Miracle Photography (London) / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Die Eskalation im Ukraine-Krieg geht weiter, es wird gemordet, gefoltert, vergewaltigt, gestohlen und gelogen. Es fällt allerdings immer schwerer, die russischen Reaktionen auf jedes dieser scheußlichen Verbrechen anzuhören: „Das waren wir nicht“. Ja, wer denn dann? Sollen wir wirklich glauben, dass eine in den ersten Tagen zerschossene ukrainische Luftwaffe nichts anderes zu tun hat, als Bomben auf die eigene Bevölkerung zu werfen?

Es handelt sich, natürlich, auch um einen Informationskrieg. Und hier scheint die Regel zu gelten: Je grösser die Lüge, desto eher kommt man damit durch. Natürlich, es liegen keine hieb- und stichfesten Beweise für die Massaker in der Nord-Ukraine vor. Nur Bilder. Bilder von aufgedunsenen Leichen, von Toten, die von Panzern überrollt wurden, von Massengräbern, in denen Zivilisten liegen. Aus Gegenden, aus denen die Rote Armee erst vor kurzer Zeit Hals über Kopf geflüchtet ist. Dass überall dort, wo sich die Rote Armee zurückgezogen hat, diese Massaker offenkundig werden, könnte theoretisch Zufall sein. Theoretisch. Allerdings sollte man auch überlegen, wie wahrscheinlich es ist, dass die Ukraine selbst ihr Land in Schutt und Asche legt und ihre eigene Bevölkerung massakriert oder wie wahrscheinlich es ist, dass eine geschlagene, schlecht ausgerüstete und moralisch angeschlagene Besatzungsmacht diese Gräuel begangen hat. Das sind keine „Beweise“, das stimmt.

Doch dass es nach jedem Angriff, nach jeder Entdeckung eines Massengrabes, nach jeder Bombardierung aus Moskau heißt „das waren wir nicht“, ist unglaublich. Ebenso wie der Umstand, dass die offizielle russische Lesart nach 6 Wochen brutalsten Angriffskriegs immer noch lautet, dass in der Ukraine „eine Spezialoperation zur Denazifizierung der Ukraine“ läuft. Und die russische Bevölkerung ist so dämlich, dies ebenso zu glauben, wie die deutsche Bevölkerung in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts glaubte, sie sei vom „Weltjudentum“ bedroht.

Die russische Glaubwürdigkeit und das russische Ansehen sind auf Jahrzehnte ruiniert. - Wir Deutschen wissen, wie so etwas funktioniert. 50 Jahre lang war es die absolute Peinlichkeit, im Ausland zuzugeben, dass man Deutscher ist. Den Russen wird es ebenso gehen, es sei denn, ihr Führer zündet vorher sein nukleares Arsenal.

Dass die russische Führung es allerdings wagt, sich in ihren Kommunikationen von Peskow und Lawrow immer wieder als „Opfer“ aufzuführen, denen von „unfreundlichen Staaten“ angeblich viel Unrecht angetan wird, schlägt dem Fass den Boden aus.

Viele Medien werden sich nun Fragen stellen müssen, auch wir. Berichtet man weiter von den russischen Lügen oder verschweigt man künftig die abstrusen Stellungsnahmen aus dem Kreml? Tragen Medien, wenn sie die russischen Lügen auch nur als Zitate weitergeben, dazu bei, Zweifel zu säen? „Das könnte theoretisch auch eine Inszenierung der Ukraine sein“, liest man immer häufiger, „immerhin, deren Präsident ist Schauspieler, da wäre es doch ein Leichtes, solche Horrorszenen wir in Butscha einfach nachzustellen…“ Stop! Genau das will die russische Propaganda – Zweifel säen, ob die unsäglichen Gräuel der Russen tatsächlich von ihnen begangen wurden. Das reflexhafte „das waren wir nicht“ wird langsam unerträglich. Oder glaubt wirklich jemand, dass der blutige Raketenangriff auf Kramatorsk (bislang 35 tote Zivilisten, mehr als 100 Verletzte) tatsächlich von der Ukraine verübt wurde? Für wie dämlich halten uns die Russen eigentlich?

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