Kriegstreiber, wo man hinschaut

Man könnte fast das Gefühl bekommen, dass alle Beteiligten momentan alles daran setzen, damit sich die Kriegstreiber-Rhetorik in einen echten Krieg verwandelt. Viel fehlt nicht mehr.

Die Hoffnung stirbt zuletzt... Foto: ВО «Свобода» / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Die Nachrichten, die im Stunden-Rythmus aus der Ukraine auf uns hereinprasseln, sind mehr als beunruhigend. Die pro-russischen Separatisten im Donbass rufen eine General-Mobilmachung aus, Moskau spricht von 40.000 Flüchtlingen auf dem Donbass, am Samstag explodierten 2000 Granaten in der Ostukraine, der Westen wird nicht müde zu drohen und angeblich gesicherte Invasions-Zeitpläne Russlands zu verkünden, Putin organisiert Raketentests und sitzt dabei symbolträchtig mit dem belorussischen Diktator Lukaschenko am Tisch (und dieses Mal nicht am XXL-Tisch, an dem er normalerweise westliche Möchtegern-Weltenlenker auf ihre echte Größe zusammenstutzt), viele Länder fordern ihre Landsleute auf, die Ukraine „unverzüglich“ zu verlassen, Botschaften werden geschlossen oder temporär in den Westen der Ukraine ausgelagert und es ist eine Situation entstanden, in der ein Funken reicht, um das Pulverfass zum Explodieren zu bringen.

Und während die Welt rätselt, was nur im Kopf von Wladimir Putin herumspukt, verzichtet man im Westen darauf, sich die gleiche Frage zu den Absichten von Joe Biden zu stellen. Speziell in Europa betrachtet man die Welt immer noch binär und teilt sie in „Gut“ (die Amerikaner und wir) und „Böse“ (die Russen und deren Verbündete) ein. Doch das hat mit den Realitäten nicht viel zu tun. Auf beiden Seiten sind die Säbelrassler und Kriegstreiber unterwegs und es gibt leider viele Parallelen zu anderen Konflikten.

Man sollte nicht vergessen, dass auf diesem Krisenschauplatz die größten Waffenproduzenten der Welt unterwegs sind. Die USA, Russland, Frankreich und Deutschland gehören zu den Top5 der internationalen Waffenproduzenten und -Händler und der wirtschaftliche Aspekt dieses Konflikts spielt eine große Rolle. Doch ist es eine Lösung, die Ukraine nun hochzurüsten? Wer hat ein Interesse an diesem Konflikt?

War es richtig, in den bisherigen Gesprächen völlig die Wünsche und Forderungen Russlands zu ignorieren? Strebt der Westen, insbesondere die NATO, ein Friedens-Gleichgewicht an, das überhaupt kein Gleichgewicht ist? Und umgekehrt, wieso provoziert Putin mittlerweile seit Monaten den Westen? Mal dreht er am Gashahn, mal organisiert Moskau eine Flüchtlingskrise an der Grenze zwischen Belorus und Polen (Lukaschenko ist hier nichts anderes als eine Marionette in den Händen des Kreml), mal veranstaltet Putin Manöver, mit denen er dem Westen zeigt, dass er Städte wie Berlin, Warschau und andere innerhalb von Minuten von der Bildfläche wegradieren könnte. Aber was will der Mann wirklich?

Wir reden uns immer weiter in den Krieg hinein. Stimmt am Ende der alte Satz, dass wenn die letzten Zeitzeugen eines großen Kriegs gestorben sind, dass dann der nächste Krieg beginnt?

Viele große Kriege in der Geschichte der Menschheit haben genau so begonnen: Mit verbalem Säbelrasseln, das irgendwann eine Eigendynamik erhält, die dann niemand mehr stoppen kann. Leidtragende sind, wie bei jedem Krieg, die Zivilbevölkerungen und in der Ukraine wird das nicht anders sein.

Es ist nicht 5 vor 12, sondern bereits 5 nach 12. Wenn beide Seiten jetzt nicht anfangen ernsthaft zu verhandeln, wird es schon bald zu spät dafür sein. Verhandeln, dass bedeutet nicht, dass man der Gegenseite lediglich seine Forderungen und Drohungen mitteilt, sondern dass man versucht, berechtigte Interessen beider Seiten in eine gemeinsame Perspektive zu bringen. Bislang hat der Westen, der seit 30 Jahren seine Zusagen gegenüber Russland nicht einhält, keine Vorschläge für eine Lösung unterbreitet. Umgekehrt ist auch Putin keinen Schritt auf den Westen zugegangen. Doch ist das keine „Verhandlung“, sondern nicht mehr als der Austausch diplomatischer Noten. Für den Frieden in Zentral- und Osteuropa wird das nicht ausreichen.

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