Kulturvirus – oder die Fabel von Hase und Igel

Da sollte es wieder losgehen im Januar mit den Kulturveranstaltungen, auch in Straßburg, doch dann wurde wieder alles vom Virus zum Stillstand gebracht. Nun bereiten sich Symphonieorchester und Oper auf den Restart im Februar vor...

Die Igel frohlocken der gehetzte Hase liegt darnieder aber nicht mit uns Illustration aus dem 19. Jahrhundert. Foto: PD

(Michael Magercord) – Das hatte der Hase davon. Er machte schlechte Witze über die kurzen Beine des Igels und ließ sich auf ein Wettrennen mit ihm ein. Allerdings ohne zu wissen, dass er es mit zweien aufgenommen hatte, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen. Während der Hase sich noch abhetzte, war der Igel schon immer am Ziel: „Ich bin schon da!“. Revanche folgte auf Revanche, immer dasselbe Ergebnis: „Ich bin schon da!“. Beim 74. Rennen bricht der Hase völlig erschöpft zusammen und…

Halt! So nicht! Nicht mit der Kultur! Sie wird nicht tot umfallen, einfach, weil wir Kulturkonsumenten das nicht wollen. Selbst, wenn das ewige Hin und Her zwischen virusbedingtem Lockdown und anvisierte Wiedereröffnung der Veranstaltungssäle an die alte Fabel vom Hase und Igel aus der Sammlung der Brüder Grimm erinnert.

Im letzten Herbst, immerhin, eröffnete die Saison in der Oper und im Konzertsaal PMC. Aber schon ab November war wieder Schluss. Trotzdem war so manches bereits vorbereitet und eingeübt, so etwa Hänsel und Gretel. Nun könnte man gleich wieder ins fabulieren verfalle: War ja sowieso ein Märchen, dazu noch von Grimm. Aber das Prinzip Hoffnung wurde ihm entgegengesetzt. Versetzt zwar in die heutige Zeit unter der Regie von Pierre-Emmanuel Rousseau wurde das Märchen trotzdem nicht wahr, weder auf der Bühne in Straßburg noch in Mülhausen. Immerhin, es gibt einen Mitschnitt von der Inszenierung, der Ende Dezember in vier kleinen Lokalsendern ausgestrahlt wurde und den es nun in der Mediathek immer noch zu sehen gibt: Hänsel und Gretel im Freizeitpark – als wäre es Science Fiction.

Im Januar sollten ein Rezital und ein Mittagskonzert folgen, aber auch sie wurden abgesagt, wie ebenso die Kinderoper in Colmar. Das Ballett „Les Ailes du Désir“ auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Und nun? Sollte man mit weiteren Aufführungen nicht einfach abwarten, wenn es wirklich wieder ungezwungen losgehen kann? Nein, die Rheinoper will nicht kleinbeigeben: Das für den Februar vorgesehene Programm bleibt auf den Spielplan. Darauf steht am 12. Februar die Premiere von Benjamin Brittens „Tod in Venedig“ – es sei übrigens darauf verwiesen, dass die Auswahl der Stücke und ihrer Titel lange vor Corona erfolgte.

Das Ballett in Mülhausen will im Februar gar zwei Stücke aufbieten. Ob das alles so kommt? Vielleicht haben Sie sich ja schon daran gewöhnt, dass wir in diesem Portal Absagen in der Kommentarzeile ankündigen. Dieses Mal wird es umgekehrt gehalten: Wir melden uns ausführlich, wenn das alles wirklich stattfinden wird!

Natürlich hat auch die Straßburger Philharmonie so einiges vor im Februar, nachdem sie für den Januar alles absagen musste. Immerhin: das für den 15. Januar geplante Pianokonzert Nummer 2 von Brahms mit dem Pianisten Adam Laloum wird am 3. Februar beim Lokalsender Accent 4 zu hören sein und am 13. gar bei Radio Classique, später auch noch Mahlers „Lied der Erde“.

Doch schon am 4. und 5. Februar beginnen wieder die richtigen Abonnentenkonzerte, zunächst mit einer Programmänderung: statt Mahler nun Werke von Mozart mit dem Geiger David Grimal, darunter – mag Nomen Omen sein – die Straßburger Symphonie. Eine Woche später geht es weiter im Takt, dann mit Bartok, Debussy und Strawinsky unter dem Taktstock von Chefdirigent Marko Letonja. Und dann….

Aber halt! Wer will heute schon wissen, was überhaupt kommen wird. Wie gesagt, Sie würden es hier erfahren. Aber klar, man kann die Ungeduld der Kulturinstitutionen nur zu gut verstehen. Zumal, wenn man sieht, wie Kultur im Ausnahmezustand behandelt wird im Vergleich zum Flugverkehr oder Automobilindustrie. Als besseres „Gedöns“, um einen Fachbegriff eines Alt-Autokanzlers aufzugreifen. Ach wie wäre es, wenn alle gleichermaßen von den Coronahilfen profitierten und jedem in der Not ausreichend beigestanden würde, ob Geschäftstreibender oder Kurzarbeiter, oder ob Künstler eingebettet in eine Großinstitution oder jemand, der in kleineren Abteilungen künstlert.

So bleibt uns Kunstkonsumenten also nur den Künstlern zu vergewissern: Wir kommen wieder! Und wenn es bis zum Herbst dauert, bis sich alles wieder programmgemäß abspielt und spult. Das wäre auch entspannter, als diesen Wettrennen mit dem Lockdown. Nein, wir bleiben euch treu und harren mutig aus, denn mal ehrlich: Wir sind doch keine Hasenfüße!

Straßburger Kulturhinweise in Kurzform

Voraussichtliches Programm der Rheinoper HIER.
12. Februar Premiere „Tod in Venedig“, Benjamin Britten
Vier weitere Aufführungen in Straßburg, zwei in Mülhausen
17. Februar Rezital: Karine Deshayes – Mezzosopran

Videostreaming der Oper Hänsel und Gretel gibt es hier.

Programm der Straßburger Philharmonie OPS HIER.

Abonnentenkonzerte am 4., 5., 11. und 12. Februar

Radio-Konzert Brahms und Strawinsky
am 3. Februar um 20 Uhr bei Accent 4
am 13. Februar um 21 Uhr bei Radio Classique

1 Kommentar zu Kulturvirus – oder die Fabel von Hase und Igel

  1. Michael Magercord // 1. Februar 2021 um 20:17 // Antworten

    So ganz lässt sich das im obigen Artikel verordnete Schweigegelübde nicht halten, und so findet sich hier nun also doch ein Absagehinweis für eine Kulturveranstaltung in Straßburg: Das erste Abonenntenkonzert der Straßburger Philharmonie OPS mit Werken von Mozart – geplant für den 4. und 5. Februar – wird nicht stattfinden. Losgehen soll es nun eine Woche später. Wie gesagt, sollte es wahr werden, melden wir uns, und zwar nur dann… naja, mal sehen.

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