Läuten die neuen Bundesländer den Politikwechsel ein?

Die letzten Umfragen vor den Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen zeigen es – die Politik in Deutschland wird sich grundlegend ändern müssen. Und der Begriff „Große Koalition“ erhält eine ganz neue Bedeutung.

Aus dem "politischen Chaos" könnte die Demokratie gestärkt hervorgehen. Foto: Maria Langmann / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Natürlich, Umfragen sind – Umfragen und keine Wahlergebnisse. Doch legt man die „normale“ Fehlertoleranz dieser Umfragen zugrunde, dann sieht man, dass sich künftig sowohl in Sachsen als auch in Brandenburg ganz neue Konstellationen finden lassen müssen, um zwei Hauptziele zu erreichen, auf die sich alle demokratischen Parteien verständigen können: Die Länder müssen regierbar bleiben und die rechtsextreme AfD soll von einer Regierungsbeteiligung ferngehalten werden. Beides wird möglich sein, doch werden mehr oder weniger alle demokratischen Parteien über viele Schatten springen müssen, um diese Ziele zu erreichen. Doch das, was auf den ersten Blick wie ein sich ankündigendes Chaos aussieht, könnte ein Jungbrunnen für die Demokratie und die Qualität der inhaltlichen Auseinandersetzung werden.

In Brandenburg, wo am nächsten Sonntag gewählt wird, kommt es laut der letzten INSA-Umfrage (27. August) zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen der SPD (21 %) und der AfD (21 %). CDU (17 %), Die Linke (15 %) und die Grünen (14 %) liegen nur knapp dahinter, die FDP und Freie Wähler liegen bei 5 % und müssen um den Einzug in den Landtag fürchten. Dadurch entsteht voraussichtlich eine Situation, in der mindestens drei Parteien miteinander koalieren müssen, um eine funktionsfähige Regierung bilden zu können. Mathematisch plausibel wären SPD-CDU-Grüne (52 %), aber auch das „Bremer Modell“ SPD-Grüne-Die Linke (50 %) wäre denkbar. Und genau an dieser Stelle wird es richtig interessant. Denn um eine Regierung bilden zu können, gibt es nur einen Weg – die inhaltliche Abstimmung zu den politischen Fragen, um einen tragfähigen Konsens zu finden. Für alte Befindlichkeiten, wie beispielsweise die überflüssige Frage, wer denn die „einzig wahre und selig machende linke Partei“ ist, müssen aus dem politischen Diskurs verschwinden und Platz für inhaltliche Diskussionen machen. Für eine funktionierende Demokratie ist das großartig!

Gleichzeitig wird in Brandenburg deutlich, dass die rechtsextreme AfD trotz eines weiteren Zulaufs in keiner Konfiguration regierungsfähig ist und werden wird. Der Konsens der demokratischen Parteien, nicht mit dieser mit Extremisten durchsetzten Partei zu kooperieren, ist das beste Bollwerk gegen den ungezügelten Neonationalismus der AfD. Natürlich ist ärgerlich, dass diese Partei inzwischen so fest in Ostdeutschland verwurzelt ist, doch gibt es keine bessere Antwort an die Rechtsextremen als eine gute Politik in Konsens zwischen den demokratischen Parteien zu führen.

In Sachsen, wo ebenfalls am Sonntag gewählt wird, ist die Situation kaum anders, auch, wenn die Kräfteverhältnisse zwischen den demokratischen Parteien etwas anders aussehen. Auch hier stammen die Zahlen von der aktuellen INSA-Umfrage vom 27. August. Die CDU wird mit 29 % als stärkste Partei prognostiziert, gefolgt von der AfD mit 25 %, Die Linke käme auf 15 %, die Grünen auf 11 %, die SPD muss sich bei 8 % langsam mit sorgenvollem Blick Gedanken um die 5 %-Hürde machen und genau auf der liegt die FDP. Hier wird es nun ganz besonders spannend.

Außer einer Koalition CDU-AfD, die es unter keinen Umständen geben wird, sind selbst Dreier-Koalitionen kaum machbar. Rot-Rot-Grün käme auf gerade mal 34 % der Stimmen, CDU-Grüne-Die Linke käme zwar rechnerisch auf 55 %, aber eine solche Koalition klingt dann doch eher abenteuerlich. Aber – sag niemals nie…

Natürlich werden diese Landtagswahlen (und die in Thüringen am 27. Oktober) eine enorme Strahlkraft auf die Bundespolitik haben. Und das könnte sehr gut sein, denn alle demokratischen Parteien sind heute in einer Situation, in der sie sich kein ideologisches Gebrabbel mehr leisten können, sondern gezwungen sind, sachbezogene und konsensfähige Politik zu machen. Für uns Bürgerinnen und Bürger ist das eine eher gute Nachricht – denn wer interessiert sich schon für die ideologischen Diskussionen zwischen den Flügeln der einzelnen Parteien?

Dies dürfte eine der letzten Gelegenheiten sein, bei denen die ehemaligen Volksparteien ihren Absturz ins Bodenlose stoppen können. Wenn die Parteien jetzt begreifen, dass die Menschen Antworten auf die drängenden Fragen der heutigen Zeit erwarten, sich mehr soziale Gerechtigkeit erhoffen und fordern, dass sich die Politik mit Dingen wie dem Klimawandel, dem Frieden und der Zukunftsperspektiven statt mit sich selbst beschäftigt, dann könnte die Demokratie einen echten Aufschwung erleben und die Extremisten wieder dorthin zurückschicken, wo sie hingehören. Der Wahlabend am Sonntag wird sehr spannend werden!

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste