Lasset die Kindlein zu mir kommen?

Momentan ist es schwierig, auf dem Kölner Bürgeramt einen Termin für einen Kirchenaustritt zu bekommen – denn selten wollten so viele Gläubige der katholischen Kirche den Rücken kehren. Erzbischof Woelki vertreibt seine Schäfchen…

Lange wurden in der katholischen Kirche Messdiener als eine Art "Freiwild" betrachtet. Foto: Clemens v. Vogelsang from Liechtenstein / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Eigentlich hätte alles ganz anders sein können. Nachdem vor einigen Jahren immer mehr Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche bekannt wurden, versprach diese Aufklärung, Transparenz und Wiedergutmachung. Abgesehen davon, dass man sexuellen Missbrauch nicht wieder „gutmachen“ kann und dass der Missbrauch durch Geistliche bei Kindern und Jugendlichen ganz besonders das Urvertrauen in die Mitmenschen traumatisch erschüttert, blieb es bei der Ankündigung. Bis heute verfolgt die katholische Kirche eine „Salami-Taktik“: Man gibt zu, was einem ohnehin schon nachgewiesen wurde. Champion dieser bigotten „Aufarbeitung“ ist der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki, der medienwirksam ein Gutachten zu den Missbrauchsfällen in seinem Bistum in Auftrag gegeben hatte, doch als dieses vorlag, dessen Veröffentlichung verbot. Stattdessen kündigte er ein neues Gutachten an. Vielleicht wird dieses ja veröffentlicht, sollte dann das darin stehen, was Woelki dort lesen möchte. Ansonsten kann er ja noch so viele Gutachten in Auftrag geben, bis er endlich das gewünschte Ergebnis bekommt. Und erneut verhöhnt die katholische Kirche die in ihrem Schoss geschändeten Opfer – kein Wunder, dass ernsthafte Gläubige scharenweise aus der Kirche austreten.

Man interessiert sich natürlich immer mehr für den Inhalt dieses „verbotenen“ Gutachtens und je mehr Woelki versucht, dessen Inhalte zu vertuschen, desto grösser wird das Interesse. Als Gründe für das Verbot der Veröffentlichung führt der Erzbischof „methodologische Fehler“ und „rechtliche Bedenken“ an. Viel fadenscheiniger geht es eigentlich kaum noch und viele Beobachter sind der Ansicht, dass in diesem Gutachten ausnahmsweise Dinge stehen könnten, die nicht schon längst lückenlos nachgewiesen worden sind. Da aber die katholische Kirche nur solche Dinge zugibt, die selbst sie nicht mehr leugnen kann, ist die spannende Frage nicht OB belastende Dinge in diesem Gutachten stehen, sondern nur WELCHE.

Dass es der katholischen Kirche mit der Aufklärung und Aufarbeitung der unglaublich vielen Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch katholische und vom Zölibat zerfressene Geistliche nicht so furchtbar ernst ist, das erleben wir seit Jahren. In verschiedenen Ländern schieben verurteilte Sexualverbrecher mit Soutane eine ruhige Kugel in abgeschiedenen Klöstern und sonstigen kirchlichen Einrichtungen – die katholische Kirche scheint der Ansicht zu sein, dass sich „Gottes Bodenpersonal“ nicht der weltlichen Verantwortung für sein kriminelles Treiben stellen muss.

Ein erstelltes Gutachten, das einem nicht passt, in der Versenkung verschwinden zu lassen, und stattdessen ein anderes in Auftrag zu geben, das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Selbst das Angebot der Kanzlei, die das erste Gutachten erstellt hatte, dieses in eigener Regie zu veröffentlichen, lehnte Woelki ab. Und auch, wenn sich mittlerweile hohe Geistliche wie der Kölner Stadtdechant Robert Kleine und selbst der Diözesanrat eindeutig von Woelki distanzieren, sieht dieser keinen Grund, von seiner Linie abzurücken. Vermutlich so lange, bis er ein Gutachten in den Händen hält, das um Gottes Willen nichts Aufklärerisches oder, Gott bewahre, gar Selbstkritisches enthält.

Das Ergebnis ist logisch – immer mehr katholische Gläubige treten aus der Kirche aus. Die entsprechende Erklärung auf dem Bürgeramt kostet 30 €, der Preis dafür, seinen Glauben behalten zu können, ohne dabei eine Organisation zu unterstützen, deren Verhalten gelinde gesagt katastrophal ist. Und die Frage, was dieses Gutachten aufdeckt, welche Namen genannt werden, welche Verbrechen bekannt werden, wird immer brennender.

Immer mehr Katholiken merken, dass es sehr wohl möglich ist, seinen Glauben und seine Spiritualität zu leben, ohne dabei einen Kirchenapparat zu unterstützen, dessen Verhalten einfach nicht mehr akzeptabel ist. Immerhin ist die katholische Kirche die einzige Organisation, die in ihrem internen Regelwerk den Umgang mit Fällen des Kindesmissbrauchs regeln muss, weil dies ein so verbreitetes Problem ist. Angesichts der Weigerung der katholischen Kirche, einen echten Bruch mit ihrer pädophilen Vergangenheit zu machen und sich zu diesem Thema völlig neu aufzustellen, ist es wenig verwunderlich, dass die Menschen keine Lust mehr verspüren, Teil einer solchen Vereinigung zu sein. Es wäre an der Zeit, würden Erzbischof Woelki und seine Kameraden verstehen, dass Jesus Christus etwas ganz anderes gemeint hatte, als er sagte: „Lasset die Kindlein zu mir kommen“…

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