Lasst uns nicht in die Falle der Terroristen tappen!

Wir fangen langsam an, uns an den Ausnahmezustand zu gewöhnen. Doch genau an der Stelle müssen wir aufpassen – denn unsere Gesellschaft wird gerade massiv polarisiert.

Soll das künftig unser "normales" Straßenbild in den Städten sein? George Orwell lässt grüßen... Foto: Chris93 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Qui bono? Wem nützt es, muss man sich bei jedem Verbrechen fragen, will man die Ursachen dieses Verbrechens verstehen. Und erstaunlicherweise nützt die aktuell angespannte Lage gleichermaßen allen, die heutzutage mit extremistischen Meinungen und Weltanschauungen unterwegs sind. Von den Terroranschlägen profitieren: die radikalen Islamisten, die Fremdenfeinde, die Nationalkonservativen und irgendwie alle, die am besten wieder in den Löchern verschwinden sollten, aus denen sie gekrochen kommen. Doch leider haben sie nun mächtig Rückenwind. Und wir werden uns gegen all das auf einmal wehren müssen.

Die radikalen Islamisten werden in nächster Zeit ein noch einfacheres Spiel haben, junge Moslems in ihren Bann zu ziehen, denn seit den Anschlägen von Paris, seit Hannover, seit dem Ausnahmezustand in Brüssel geraten generell Ausländer in Westeuropa immer mehr unter Druck und Generalverdacht. Eine optimale Gelegenheit für radikale Seelenfänger, immer weiter ausgegrenzte junge Menschen für ihre Sache zu gewinnen – und das ist ohne Zweifel auch eines der Ziele, das die IS-Terroristen mit ihren Anschlägen im Westen verfolgen. Unterstützt werden diese Seelenfänger dabei von den anderen großen Profiteuren, den Ausländerhassern und Nationalkonservativen, die genau das tun, was der IS von ihnen erwartet – sie zerbrechen den ohnehin schwierigen gesellschaftlichen Zusammenhalt und schaffen damit genau die Situation, die zur Radikalisierung junger Menschen mit Migrationshintergrund führt.

In ganz Europa überschlagen sich nun die Errichter von Mauern, die Erbauer von Lagern und Zäunen, die Ingenieure für Registrierungssysteme und Abschiedeprozeduren, die Erfinder von Ausweisungsoptimierungen, die Ängstlichen, die hinter jedem Ausländer den potentiellen Terroristen vermuten – und gehen damit nicht nur den Terroristen auf den Leim, sondern sorgen auch dafür, dass das Leben in unseren Gesellschaften schon morgen alle Alpträume eines George Orwell oder Aldous Huxley übertreffen wird.

Geheimdienste sollen intensiver kooperieren, am besten auch noch unter Einbeziehung unserer neuen besten Freunde in der türkischen Regierung, denen die EU zur absoluten Mehrheit verholfen hat und jede Menge Geld hinterher wirft, damit sie ja die syrischen Flüchtlinge im Land behält und nicht mehr in Richtung Westen flüchten lässt. Eine engere Zusammenarbeit mit einem Geheimdienst eines Staatschefs, von dem man weiß, dass er mit dem IS zumindest sympathisiert und von dem man weiß, dass er zulässt, dass ein florierender Handel zwischen seinem Land und dem IS läuft und der ebenso zulässt, dass sein Land weiterhin die Transitstation für verwirrte Jugendliche aus dem Westen ist, die für den Terroristenstaat kämpfen wollen? Wollten wir ein wenig Geld sparen, wäre es vielleicht einfacher, wir würden dem IS unsere Geheimdiensterkenntnisse direkt zukommen lassen, das würde den Umweg über die Türkei sparen.

Wir kommen in diesen Tagen in die Advents- und Vorweihnachtszeit. Das Fest der Liebe. Vielleicht sollten wir das zum Anlass nehmen, auf unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zuzugehen, statt diese weiter auszugrenzen. Vielleicht sollten wir diese Zeit nutzen, uns auf das zu besinnen, was grölende Rechtsextreme meinen, in Dresden und anderswo zu verteidigen: europäische Werte. Die lassen sich nämlich wunderbar in der Universellen Erklärung der Menschenrechte zusammenfassen, deren Lektüre Ihnen zu diesem Wochenbeginn ans Herz gelegt sei. Lassen Sie sich nicht von Terroristen in die Arme von Rechtsextremen, Ausländerhassern und Neonazis treiben – denn die haben nicht nur kein Konzept, wie man diese Situation lösen kann, sondern sie können die Probleme nur noch weiter verschlimmern. Die einzigen, die das verhindern können, sind wir.

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