Leben mit dem Virus

Ab heute gehen die innereuropäischen Grenzen wieder auf, nach wie vor wird „gegen das Coronavirus“ demonstriert und alle sind sich einig, dass man jetzt eben mit dem Virus leben muss. Na dann.

Die Helden der Anti-Corona-Bewegung sind top - bis sie dann selber krank werden... Foto: ScS EJ

(KL) – Das Narrativ der Corona-Krise ist gerade dabei, sich nachhaltig zu verändern. Allgemein ist man der Ansicht, dass die Maßnahmen ganz klar überzogen und damit unnötig waren. Dass nach Forscherangaben inzwischen weit über 7 Millionen Menschen infiziert, über 425.000 Menschen gestorben und durch die sanitären Maßnahmen alleine in 11 untersuchten Ländern bis zu 3 Millionen Menschenleben gerettet wurden, das vergessen wir jetzt am besten ganz schnell wieder. Offiziell ist es eine „kleine Grippe“, nicht der Rede wert, und deshalb muss jetzt alles so weitergehen wie vorher.

Aber halt! Da ja die „völlig überzogenen und unnötigen Maßnahmen“ lediglich dazu geführt haben, dass die Wirtschaft zusammenbricht und dazu, dass man sich jetzt offenbar darauf geeinigt hat, dass man „mit dem Virus leben muss“, sollte man nicht zögern, ganz massive Einsparungen an vielen verschiedenen Stellen durchzuführen, und eben auch mit anderen Gefahren zu leben, zu deren Abwehr mächtig viel Geld ausgegeben wird.

Nehmen wir den Terrorismus. Weltweit starben durch terroristische Anschläge im Jahr 2019 lediglich 15.952 Menschen. Peanuts, wenn man das auf die gesamte Weltbevölkerung umrechnet. Peanuts, wenn man diese Zahl mit den 425.000 Corona-Toten vergleicht! Und da geben wir Milliarden für Geheimdienste und Patrouillen in den Innenstädten aus? Milliarden Euro, die wir so bequem in die Wirtschaft stecken könnten? Angesichts der geringen Opferzahlen sollten wir uns nun durchringen und sagen, dass wir jetzt eben mit dem Terrorismus leben müssen. Ist halt so. Und da die Chancen, selbst zum Opfer eines Terroranschlags zu werden, so extrem gering sind, sollte man jetzt aufhören, überall zu kontrollieren, zu überwachen, zu verhaften – die teuren Polizeikräfte könnten doch auch sinnvoller eingesetzt werden, beispielsweise beim Schreiben von Strafzetteln!

2018 starben in Frankreich und Deutschland zusammen 6683 Menschen im Straßenverkehr. Ja, wozu soll man denn dann noch Sicherheitskampagnen, Fahrertrainings und anderen Firlefanz veranstalten – das kostet alles Geld und wir sollten endlich lernen, „mit den Verkehrstoten zu leben“. Das wäre deutlich billiger, als entlang der Autobahnen teure Schilder aufzustellen, auf denen vor allen möglichen Gefahren gewarnt wird.

Laut der UNO sterben jedes Jahr rund eine halbe Million Menschen an Drogen. Also ungefähr soviel wie durch das Corona-Virus (wenn man noch ein paar Tage wartet, schafft das Virus auch die 500.000-Schallmauer). Statt viel Geld in die Prävention und Betreuung von Drogenabhängigen zu stecken, sollten wir lieber lernen, „mit der Droge zu leben“. Das wäre auch irgendwie fair. Am Corona-Virus sterben mehrheitlich alte Leute, an Drogen eher jüngere Mitmenschen. Wir werden doch nicht das Geld, mit dem man Aktionäre und Börsenspekulanten glücklich machen kann, in Drogenprogrammen verpulvern, wo es doch deutlich günstiger wäre, einfach mit dem Phänomen „Droge“ zu leben!

Jedes Jahr werden 50.000 Frauen weltweit von Angehörigen, zumeist ihren Partnern oder Ex-Partnern getötet. 50.000! Während das „Grippchen“ Covid-19 mit seinen 425.000 Toten keiner großen Aufmerksamkeit mehr wert ist. Frauenhäuser, Präventionsprogramme, gesellschaftliche Debatten rund um dieses Phänomen, das von den Krisen-Mathematikern vermutlich genauso wie die Corona-Krise in die Kategorie „vernachlässigbar“ eingeordnet wird. Könnte man also auch zu den Akten legen.

Interessant ist, dass die Länder, die sich so verhalten haben, wie es die „Corona-Leugner“ auch von ihrer Regierung erwartet hätten, zu den Ländern mit den höchsten Todesraten zählen – Schweden und Großbritannien sind Spitzenreiter bei der Sterblichkeit. OK, wir kennen wir echten Zahlen noch lange nicht, wir wissen nicht, wie sich dieses Virus weiterentwickelt. Doch wenn Politiker der Vox Populi nachgeben und nun wieder alles für alle öffnen, dann könnte es gut sein, dass aus einem „Grippchen“ mit grade mal 425.000 Toten dann doch wieder eine ausgewachsene sanitäre Krise wird.

Das kollektive Gedächtnis ist kurz und die Meinungsführung haben nun wieder die Großmäuler übernommen, die das unverdiente Glück hatten, weder direkt noch indirekt von diesem Virus betroffen zu sein. Aber das kann sich blitzartig ändern und genauso schnell wird sich die Meinung derjenigen ändern, die jetzt neu betroffen sein werden. Jede Wette, sobald sie das Virus selber haben, werden diese Leute es sehr schnell nicht mehr als „Grippchen“ einschätzen, sondern erwarten, dass alles in Bewegung gesetzt wird, um sie zu retten. Und bis es so weit ist, werden sie weiter gegen das Virus, Angela Merkel, die Medien, Bill Gates und alles andere demonstrieren. Und weder Masken tragen, noch Sicherheitsabstände einhalten. Echte Helden eben.

2 Kommentare zu Leben mit dem Virus

  1. Recht haben Sie! Die kollektive Vergesslichkeit ist der eigentliche Sieger dieser sanitären Krise! Übrigens, ein Spaziergang durch die Strassburger Innenstadt am Samstag Nachmittag liefert dafür den besten Beweis: Alles vergessen und nichts dazugelernt…

    • Eurojournalist(e) // 15. Juni 2020 um 20:38 // Antworten

      Da sind wir völlig einer Meinung. Ich war auch am Samstag in der Strassburger Innenstadt und wir haben dort beide das gleiche beobachtet. Mal schauen, wohin sich das entwickelt…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste