Lehrlinge: Mit 66 Jahren fängt das Leben erst richtig an…

Ganz andere Demographie-Probleme als in Deutschland. François Hollande will die Lehrlingsausbildung in Frankreich für „Arbeitslose jeden Alters“ öffnen.

Mit 66 noch eine Lehre im Hochbau absolvieren? Da muss man wirklich Lust drauf haben... Foto: Lewis Hine / WIkimedia Commons

(KL) – Während man in Deutschland über die Rente mit 75 nachdenkt, weil uns langsam, aber sicher die Kinder ausgehen, hat man in Frankreich ganz andere demographische Probleme. Um ein Zeichen gegen die Altersarbeitslosigkeit zu setzen, will der französische Präsident François Hollande die Lehrlingsausbildung für Arbeitslose „jeden Alters“ öffnen.

Die Idee mag überraschend klingen, gehört aber zu einem Gesamtpaket, mit dem die französische Regierung ihr wichtigstes Wahlversprechen umsetzen will: Die Umkehrung der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen. Angesichts der immer noch katastrophalen Arbeitslosenzahlen müssen jetzt auch ungewöhnliche Maßnahmen her. Denn inzwischen feiert die Regierung in Paris schon den Umstand, dass der stetige Anstieg der Rekordarbeitslosigkeit von einem Monat zum nächsten etwas geringer ausfällt. Wobei ein Anstieg eigentlich immer noch ein Anstieg ist.

Dabei sollen die Arbeitslosen weiterhin die gleichen Leistungen beziehen wie zuvor, nur dass sie eben eine Lehre machen können. Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt ist immer ein Vorteil, doch wird man darauf achten müssen, ob es sich bei dieser Maßnahme nicht nur um eine „Verschönerung“ der Statistiken handeln wird, mit der Langzeitarbeitslose für die Dauer ihrer Lehre aus den Arbeitslosenzahlen wegradiert werden.

François Hollande will damit für kleinere Unternehmen sicherstellen, dass nicht eines Tages die Fachkompetenzen fehlen. Dass er damit gegen die Arbeitslosigkeit älterer Menschen angehen will (die in den letzten 12 Monaten um 11,8 % gestiegen ist) und auch Langzeitarbeitslose im Visier hat (+ 10,6 % in einem Jahr), ist klar. Hier steht, so Hollande, der Generationenvertrag im Mittelpunkt. Ältere Arbeitnehmer sollen nicht aufs Abschiebegleis. Das ist gut und richtig.

Und dennoch überrascht die Maßnahme in einem Land, das unter einer Jugendarbeitslosigkeit von ca. 25 % leidet. Die gilt es nämlich als erstes zu bekämpfen, denn die Sozialsysteme basieren auf der Lebensarbeitsleistung der jeweils nächsten Generation. Insofern sollten Situationen vermieden werden, in denen ein älterer Arbeitsloser einem 16-25jährigen die Lehrstelle wegnimmt.

Bei den Maßnahmen François Hollandes beschleicht einen das seltsame Gefühl, dass er gerade das Richtige macht, aber im falschen Land. Angesichts der Schwierigkeiten vieler kleiner und mittlerer Unternehmen in Deutschland, Kandidaten für ihre Lehrstellen zu finden, würde diese Maßnahme in Deutschland vermutlich viel besser wirken – eine Möglichkeit, die relativ wenigen Langzeitarbeitslosen wieder in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu bringen, wobei man gleichzeitig den aufkeimenden Fachkräftemangel auffangen könnte. Aber ob die Maßnahmen in Frankreich richtig sind?

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