Leute, esst mehr Bio…

… und wohnt in schöneren Wohngegenden, fahrt sicherere Autos und leistet euch die besten Ärzte. So einfach ist es, wenn man Krebs und ein frühes Ableben verhindern will.

Die gesunde Alternative zum Discounter - Kreditkarte nicht vergessen! Foto: Frank M. Rauch / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0de

(KL) – Anfang der Woche ging mal wieder so eine Meldung durch die Sozialen Netzwerke: Eine konsequente Bio-Ernährung reduziert das Krebsrisiko um 34 % im Vergleich zu Personen, die sich überwiegend nicht bio ernähren. Gut zu wissen. Schade, dass diese Art der Krebsvorsorge und damit ein längeres Leben denjenigen vorbehalten ist, die es sich leisten können.

Man findet ziemlich sicher auch Statistiken, aus denen hervorgeht, dass man in Wohnvierteln in Mittelhanglage statistisch weniger oft in Schlägereien gerät als in Hochhaussiedlungen aus den 50er und 60er Jahren. Tipp: Ziehen Sie einfach in eine hübsche Mittelhanglage, damit Sie etwas sicherer leben. Dort sind auch Lärmbelästigungen deutlich geringer. Und lassen Sie endlich Ihre alte Diesel-Schrittlaube stehen und kaufen Sie sich einen eleganten Hybrid-SUV, an dem alle Airbags funktionieren – damit steigen Ihre Chancen, einen Unfall unverletzt zu überstehen. Und sollte es doch einmal auf der Straße krachen, empfehlen wir Ihnen dringend die Chefarztbehandlung im Einzelzimmer – da verläuft die Genesung gleich viel schneller als in einem Lärmenden Sechs-Bett-Zimmer mit entnervten Krankenschwestern. Sehen Sie, es ist ganz einfach, gesünder und sicherer zu leben. Man muss es nur wollen. Und sich leisten können.

In einem Land wie Deutschland, in dem 16,2 % der Bevölkerung akut von Armut bedroht sind, sind solche Bio-Empfehlungen der nackte Hohn. Für diese 16,2 % der Bevölkerung macht es eben einen Unterschied, ob sie ein Bio-Huhn für 18 € beim Biobauern kaufen, oder einen Gummiadler gleichen Gewichts im Discounter für 2,99 €, auch, wenn das Biohuhn soooo viel besser schmeckt. Und auch, wenn es die Automobilindustrie nicht wahr haben will, es kann auch nicht jeder gerade mal ein neues Auto kaufen und die Chefarzt-Behandlung im Krankenhaus gibt es halt auch nur für Privatversicherte.

Aber schön zu hören, dass wohlhabende Menschen ein um 34 % geringeres Krebsrisiko kaufen können und damit statistisch länger leben. Reiches Leben ist ja auch viel wertvoller als armes Leben und daher ist es bestimmt auch ganz richtig, dass diejenigen, die es im Leben materiell zu etwas gebracht haben (oder mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurden…) länger leben.

Die Forderung „Leute, esst mehr Bio…“ ist damit aber grundlegend falsch. Die richtige Forderung muss lauten: „Verändert die Gesellschaft so, dass Menschen, die arbeiten, sich eine Bio-Ernährung leisten können!“. Und eigentlich sollte sich diese Forderung auch auf Menschen beziehen, die gerade keine Arbeit haben, denn Arbeitslosigkeit sollte nicht noch zusätzlich durch schlechte Ernährung und damit verbundene Krankheiten und eine reduzierte Lebenserwartung bestraft werden. Dass Menschen, denen es materiell besser geht als anderen, sich einen Lebensstil leisten können, der ihre Lebenserwartung erhöht, ist schön und sei ihnen gegönnt. Dass Menschen in Armut bis hin zur geringeren Lebenserwartung die A…karte gezogen haben, muss man ihnen vielleicht auch nicht dauernd unter die Nase reiben. Sorgt für anständige Arbeitsentgelte und stabile Arbeitsverhältnisse, die es allen Menschen ermöglichen, gesund und „bio“ zu leben, das würde schon völlig reichen.

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