Licht und Schatten der deutschen Geschichte
Gestern war der 9. November, dieses Datum, an dem die Deutschen ihre besten, aber auch ihre schlechtesten Seiten gezeigt haben. Man sollte sich an Beides erinnern.
(KL) – Die Aktualität aus Amsterdam und Israel dreht die Reihenfolge des Erinnerns am 9. November um. Denn wenn im Jahr 2024 wieder Pogrome gegen Juden stattfinden, dann muss man an den 9. November 1938 erinnern, als in der „Reichskristallnacht“ die Synagogen in Deutschland brannten, Juden getötet, verletzt und verhaftet wurden, um dann in Konzentrationslager gebracht zu werden, wo sie ermordet wurden. Dieser vielleicht schlimmste Tag in der deutschen Geschichte wiederholt sich nun und dass der Antisemitismus durch „woke“ und andere Geschichtsignoranten wieder auf die Tagesordnung gebracht wurde, überdeckt leider das, was am 9. November 1989 passierte, als die Bevölkerung der DDR ihre friedliche Revolution zum Erfolg brachte.
Die Jagdszenen aus Amsterdam und die Überfälle vom 7. Oktober 2023 auf die jüdische Bevölkerung Israels zeigen, dass das völlig kranke Gedankengut der Nazis immer noch lebt, getragen heute seltsamerweise von krakeelenden Jugendlichen, die sich erstaunlicherweise als „links“ und „Internationalisten“ bezeichnen, aber lärmend den Nazi-Antisemitismus pflegen. Das Erinnern an den 9./10. November 1938 muss wieder ins Gedächtnis rufen, wohin Antisemitismus führt. Und niemand wird sagen können, dass er nicht geahnt habe, wo das hinführt.
Der 9. November 1989 war da schon erfreulicher, aber dass er so ablief, wie er ablief, verdankt Deutschland einer glücklichen Verkettung von Umständen und dem Mut wenig bekannter und unbekannter Helden, die dafür sorgten, dass der Mauerfall nicht in einem Blutbad endete. Da wäre zum einen der historische Versprecher des Politbüro-Mitglieds Günter Schabowski, der sich in einer Live-Pressekonferenz verhaspelte und die deutsch-deutsche Grenze „äh, ja, sofort“ für geöffnet erklärte. Da ist zum anderen aber auch der Heldenmut des wachhabenden Offiziers am Grenzübergang Bernauer Straße in Berlin, der unter dem Druck der zahlreichen Ostberliner Bürger die Grenze tatsächlich öffnete und sich dem Befehl widersetzte, auf die Menschen zu schießen, deren Durst nach Freiheit nicht länger unterdrückt werden konnte.
Doch heute, 35 Jahre später, wartet man im Osten immer noch auf blühende Landschaften und der Graben zwischen Ost und West ist immer noch vorhanden. Wie weit der deutsche Osten immer noch von Westen entfernt ist, hat man bei den drei Landtagswahlen im September gemerkt, als deutlich wurde, dass das Gedankengut, das zum 9. November 1938 geführt hatte, immer noch lebendig ist.
Die deutsche Einheit ist weder erreicht, noch abgeschlossen. Das ist zwar in der aktuellen Gemengelage der Weltkrisen schon fast ein zweitrangiges Problem, doch wäre es erfreulich, würde diese deutsche Einheit eines Tages wirklich zu einer Einheit führen, denn die ist heute leider (noch?) nicht gegeben. Aber was nicht ist, kann noch kommen. Es sei denn, die Brandstifter des 9. November 1938 kommen wieder in die Nähe der Macht.
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