Ludwig van… und die Brückenbauer

Zum zweiten Mal winkten gestern Bürger*innen aus der Ortenau in Richtung des französischen Rheinufers. Und dieses Mal standen die Straßburger am anderen Ufer und winkten zurück.

Am gestrigen Samstag winkte das Strassburger Ufer zurück - zu den Klängen der europäischen Hymne. Foto: Franck Dautel / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Worum es gestern zur Mittagszeit an den Kehler Rheinbrücken ging, das verdeutlichte ein großer, in Bonn am Rhein geborener Rheinländer musikalisch. Zu den Klängen von Beethovens „Ode an die Freude“, der europäischen Hymne, schwenkten die Demonstranten auf beiden Rheinufern Europafahnen und Regenschirme – die berühmten „Rettungsschirme“ für die Rettung der deutsch-französischen Beziehungen und des europäischen Gedankens. Und selbstverständlich achteten die Demonstrant*innen auf die Einhaltung der sanitären Abstände…

Zum ersten Mal wurde diese Aktion am letzten Samstag von Peter Cleiss initiiert, dem „freien Radikalen“ der deutsch-französischen Freundschaft, dessen Handschrift man in vielen interessanten Projekten der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit findet. Und auch bei dieser zweiten Auflage dieser Aktion war die Forderung der Demonstranten auf beiden Ufern deutlich – „Macht die Grenze auf – sofort!“. Doch trotz aller nett zu lesenden Pressemitteilungen von Ministerien, Gremien, Verwaltungen – die Grenze ist geschlossen. Außer für Arbeitskräfte und Waren. Und, zumindest auf dem Papier, für auf beiden Ufern lebende Familien und unverheiratete Liebespaare.

Gestern, am Samstag, zwischen 11h45 und 12h15, fanden sich auf beiden Ufern am Fuß der Europabrücke, der Passerelle des Deux Rives und der Tram-Brücke zwar nicht die riesigen Menschenmassen ein, dafür aber die „üblichen Verdächtigen“ der deutsch-französischen Zusammenarbeit, die Architekten der deutsch-französischen Freundschaft, die sich seit langen Jahren um den Austausch zwischen dem Elsass und Baden engagieren. Vertreter von Vereinen, engagierte Bürger und – viele Grüne aus Straßburg, wie die OB-Kandidatin Jeanne Barseghian, die seit Monaten ihren in Baden lebenden Freund nicht sehen kann, Alain Jund und viele andere. Hatte da jemand behauptet, die Grünen in Straßburg wären antieuropäisch eingestellt?

Die halbstündige Aktion war fröhlich, konzentriert und schaffte Bilder, die später im deutsch-französischen Geschichtsbuch einen Platz finden werden. Der Gruß von hüben nach drüben und umgekehrt ist wichtig – denn hier zeigen sich die Bürger*innen von beiden Rheinufern gegenseitig, dass sie einen deutlich höheren deutsch-französischen Zusammenhalt in ihrem Leben haben, als das von der Politik und deren Entscheidungen reflektiert wird.

Auch, wenn die hohe Politik heute davon spricht, die Situation an der Grenze abmildern zu wollen, so ist der entstandene Schaden bereits riesig. Es gab und gibt zu viele Zwischenfälle, zu wenig Erklärungen, kaum Entschuldigungen. Immerhin, Bundesaußenminister Heiko Maas hatte sich zwischendurch für die Verbalattacken von Bundespolizisten gegenüber französischen Berufspendlern entschuldigt, ansonsten hielt das keiner für nötig.

Will man das teilweise zerstörte Vertrauen zwischen dem Elsass und Baden wieder aufbauen, dann sollte man jetzt nicht den Fehler begehen, die Situation kleinzureden. So zu tun, als liefe alles planmäßig ab, trotz unbedeutender Zwischenfälle, das wird nicht klappen. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, über all diese Dinge in ruhiger Atmosphäre zu sprechen und Wege zu finden, mit denen zukünftig solche Situationen vermieden können, dann wird man sich daran erinnern, dass ein „Fähnlein der Aufrechten“ während dieser Zeit der geschlossenen Grenzen und des gegenseitigen Misstrauens samstags am Rheinufer stand und den Menschen am anderen Ufer signalisierte, dass der Wunsch nach einer offenen Grenze und der Freiheit, sich auf beiden Ufern zu bewegen, ein gemeinsamer Wunsch der Menschen am Oberrhein war und ist.

Daher – Hut ab vor denjenigen, die der deutsch-französischen Zusammenarbeit und Freundschaft das halbe Wochenende widmen! Die Langzeitwirkung dieser Aktion übersteigt bei weitem diejenige der eher beliebigen Pressemitteilungen der Herren Seehofer und Castaner…

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