Macht die Pandemie Monster aus uns?

Eine Studie des französischen Innenministeriums zeigt, dass die Anzahl sexueller Übergriffe und Fälle häuslicher Gewalt im Jahr 2021 dramatisch gestiegen ist.

Die Botschaft dieser Bank auf dem Freiburger Rathausplatz sagt alles... Foto: Andreas Schwarzkopf / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Ist das eine der Folgen der Pandemie und der mit ihr einhergehenden Einschränkungen? Wenn man die Zahlen sieht, die das französische Innenministerium gestern veröffentlich hat, muss man zu diesem Schluss kommen. Die Gewalt, die man immer häufiger auf der Straße erlebt, hat sich auch im privaten Bereich festgebissen und wie man mit dieser Entwicklung umgehen kann, steht in den Sternen. Alleine im Jahr 2021 ist die Anzahl sexueller Gewalttaten um 33 % gestiegen.

Die vom Innenministerium veröffentlichen Zahlen zeichnen ein bedrückendes Bild. Zwar sind sexuelle Gewalttaten und Übergriffe ein in den letzten Jahren immer präsenteres Problem, doch waren die Steigerungen der Anzahl Fälle in den letzten Jahren nicht so dramatisch wie 2021. So betrug der Anstieg dieser Straftaten 2019 noch um 12 %, 2020 gar „nur“ um 3 %. Wobei die Zahl von 2020 auch unter dem Gesichtspunkt zu lesen ist, dass die Franzosen einen guten Teil dieses Jahres im Lockdown verbracht haben, was bedeutet, dass es nicht etwa weniger Gewalt gab, sondern dass die Opfer dieser Gewalt praktisch keine Möglichkeit hatten, sich Hilfe zu suchen, da sie gezwungen waren, mit ihren Peinigern weiter unter einem Dach zu leben.

Interessant ist, dass ein gesellschaftlicher Wandel stattfindet und immer mehr Opfer sexueller Gewalt den Mut finden, die Täter anzuzeigen, auch Jahre nach der Tat. So liegen 2021 rund 19 % der angezeigten sexuellen Gewalttaten bereits mehrere Jahre zurück. Der Umstand, dass immer mehr solcher Fälle öffentlich werden, dürfte dazu beitragen, dass sich auch immer mehr Opfer trauen, ihren Fall bei den Behörden anzuzeigen.

Aber auch die „normale“, also nicht sexuelle Gewalt steigt in Frankreich rapide an. So verzeichneten die Behörden 2021 eine Steigerung von 12% bei Körperverletzungen und von 14 % der Fälle häuslicher Gewalt.

Es reicht allerdings nicht, diese Zahlen zur Kenntnis zu nehmen und zu sagen „das ist aber schrecklich“, angesichts des massiven Anstiegs von Gewalt in der Gesellschaft müssten eigentlich alle Akteure der Gesellschaft reagieren und agieren, angefangen bei der Politik, über die Schulen und Universitäten bis hin zu den Vereinen und Verbänden.

Gewalt ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das auch nur von der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit gelöst werden kann. Was die Politik tun kann, ist es, Notfallhäuser für die Opfer von Gewalt verstärkt zu finanzieren und Anti-Gewalt-Programme in den Schulen auszubauen und ebenfalls zu finanzieren. Denn die häusliche Gewalt beginnt beim Beispiel der Eltern, dass bereits kleine Kinder mit in die Schule bringen und sich dort ebenso gewalttätig verhalten.

Dass es nicht reicht, auf politischer Ebene zu dekretieren, dass häusliche Gewalt nicht OK ist, das dürfte jedem klar sein. Doch ist nun der Zeitpunkt gekommen, dass sich alle Akteure der Gesellschaft an den Tisch setzen und Strategien gegen die Gewalt erarbeiten. Dies geschieht zwar bereits in vielen Städten, Gemeinden und Regionen, doch die Zahlen zeigen, dass die vielen wohlgemeinten Initiativen nicht ausreichen. Nur eines ist klar – diese Entwicklung kann man nicht einfach nur beobachten, man muss so schnell wie möglich gegensteuern.

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