Machtlos gegen den Terror

Nach dem Messerattentat in Paris, bei dem vier Polizisten von einem radikalisierten Kollegen erstochen worden sind, steht Innenminister Castaner wieder in der Kritik. Aber das geht am Thema vorbei.

Innenminister Castaner (mitte rechts, neben OB Roland Ries) hätte das Attentat von Paris auch nicht verhindern können. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Das einzige, was man in diesem Fall dem französischen Innenminister Christophe Castaner vorwerfen kann, war seine übereilte Reaktion nach dem Messerattentat im Pariser Polizeipräsidium. Kurz nach dem Attentat, bei dem vier Polizisten von einem radikalisierten Kollegen erstochen wurden, erklärte er vor der Presse, dass es „nicht das geringste Alarmsignal gegeben hätte“ – inzwischen weiß man, dass das nicht stimmte. Doch verhindern hätte man dieses neue terroristische Attentat nicht können.

Der Terrorismus in Europa hat ein neues Gesicht erhalten und das bereits seit einigen Jahren. Islamistisch motivierte Täter, die teilweise schon lang in den europäischen Ländern leben, zumeist hier geboren und aufgewachsen sind, verüben immer wieder geradezu hausbackene Attentate. Beim Pariser Mordanschlag erstand der Täter am Morgen seiner Tag zwei Küchenmesser, mit denen er dann die Taten ausführte. Das erinnert an Attentate in Deutschland, wo sich die Täter ebenfalls unmittelbar vor der Tat die entsprechenden Waffen besorgten, was auf wenig professionelle Vorbereitung und dahinter stehende Strukturen hinweist. Es handelt sich immer häufiger um „Schläfer-Attentate“ und der Umstand, dass es von diesen „Schläfern“ noch viele mehr gibt, ist wenig beruhigend.

Für die französische Regierung, die immer mehr unter Druck steht, ist die Situation schwierig, denn in der Bevölkerung macht sich das Gefühl breit, der Feind sei bereits im eigenen Haus angekommen – der Attentäter von Paris war immerhin selbst Polizist, arbeitete seit 15 Jahren in einer Anti-Terror-Einheit und war noch dazu in der Überwachung djihadistischer Aktivitäten eingebunden. In den 300.000 Sicherheitsüberprüfungen, welche die französische Polizei selbst seit 2017 in den eigenen Reihen durchgeführt hat, ist der Mann einfach durch die Maschen des Netzes gerutscht. Es gab zwar einen Hinweis eines Kollegen, der seinen Vorgesetzten gemeldet hatte, dass sich der Attentäter Mickaël H. nach dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ positiv über die Motive der Terroristen geäußert haben soll, doch außer einem Verweis hatte dieser Zwischenfall keine Folgen.

Große Terrororganisationen kann man überwachen, Einblicke in Logistik, Kommunikation, Reisetätigkeiten gewinnen, doch der „Schläfer-Terrorismus“ ist kaum zu verhindern. Die Täter leben zumeist diskret mitten unter uns, gehen normalen Berufen nach, sind unauffällig. Bis zu dem Tag, an dem sie zur Tat schreiten. Diese Taten sind in der Regel amateurhaft organisiert und ausgeführt, aber nicht minder tödlich und vor allem, sie schaffen ein permanentes Gefühl der Bedrohung in der Bevölkerung.

Ein anderer Innenminister hätte dieses Attentat auch nicht verhindern können – insofern sind die Rücktrittsforderungen momentan völlig unangebracht. Angesichts der Tatsache, dass Präsident Macron bei seiner Rede vor dem Europarat eine „neue Doktrin der inneren Sicherheit und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ angekündigt hat, muss man sich jetzt auf weitere Einschnitte in die individuellen Freiheiten in Frankreich einstellen, auch, wenn jetzt hektisch ergriffene Sicherheitsmaßnahmen Attentate wie das in Paris nicht verhindern können.

Die vier toten Polizisten sind tragische Opfer des islamistischen Wahnsinns. Man kann nicht mehr tun, als den Angehörigen und Freunden sein Beileid auszusprechen. Dazu ist es aber sehr beunruhigend, dass die islamistischen Extremisten gerade dabei sind, ihr erklärtes Ziel zu erreichen – die Destabilisierung der westlichen Welt. Mit jeder neuen Sicherheitsmaßnahme, mit jeder neuen gesetzlichen Regelung für mehr Überwachung, mit jedem Beschneiden der persönlichen Freiheitsrechte werden unsere Gesellschaften härter, bitterer und negativer. Und nichts von diesen Maßnahmen wird die tatsächliche Sicherheit erhöhen und Anschläge wie in Paris verhindern können. Das Problem ist nicht politischer, sondern gesellschaftlicher Natur.

Auch der Täter von Paris wurde in seinem Heimatland radikalisiert. Die Radikalisierung in vielen französischen Moscheen ist dann auch der einzige Hebel, an dem man ansetzen kann. Eine immer größere Rolle kommt dabei den muslimischen Gemeinden selbst zu – sie sind es, die radikale Imame aus ihren Gemeinden ausschließen und diese an die Behörden übergeben müssen. Denn die Duldung radikaler Imame und Strömungen in ihren Gemeinden macht sie zu Mittätern – die Radikalisierung findet mit stillschweigender Duldung vor den Augen der Gemeinden statt. Insofern kann die Forderung nur lauten, dass die muslimischen Gemeinden und Verbände einen konstruktiven Dialog mit den französischen Behörden aufnehmen und gemeinsam dafür sorgen, dass radikale Elemente sofort aus den Gemeinden entfernt werden. Wenn die muslimischen Gemeinden und Verbände nicht an einer solchen gemeinsamen Aktion teilnehmen, dann müssen sie damit leben, dass sie selbst als terroristisch orientiert betrachtet und entsprechend verfolgt werden. Das ist keinesfalls eine islamfeindliche Äußerung, im Gegenteil. Wenn die in Europa lebenden Muslime Wert auf ein friedliches und harmonisches Zusammenleben mit dem Rest der Gesellschaft anstreben, dann müssen sie an der Trockenlegung des Terrorismus in ihren Reihen mitwirken. In ihrem und unserem Interesse.

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