Macron – die „Neue Volksfront“ droht mit Amtsenthebung
Theoretisch ist seit einer Verfassungsreform 2008 eine Amtsenthebung des Präsidenten möglich. Praktisch ist das allerdings kaum denkbar, auch wenn die NFP damit droht.
(KL) – Für Emmanuel Macron wird die Luft zwar politisch immer dünner, doch die Drohungen der „Neuen Volksfront“ (NFP) für ein Amtsenthebungs-Verfahren sind eher für die Galerie, denn die Hürden für solche ein Verfahren sind extrem hoch, was auch normal ist. Einen Präsidenten seines Amtes zu entheben, sollte keine „Alltags-Waffe“ im politischen Geschäft sein, auch, wenn Emmanuel Macron die hierfür vorgesehene Bedingung durchaus erfüllt. Denn eine Amtsenthebung kann laut Artikel 68 der französischen Verfassung dann beantragt werden, wenn der Präsident „seine Pflichten auf offensichtlich mit der Ausübung seines Mandats inkompatible Art und Weise verletzt“. Und das tut Emmanuel Macron momentan, indem er die Ergebnisse der von ihm ausgerufenen vorgezogenen Parlamentswahl schlicht und ergreifend ignoriert und stattdessen mit seinem bisherigen und abgewählten Regierungsteam weitermacht, nachdem er ihm einfach das Etikett „technische Regierung’“ aufgeklebt hat.
Dieses Vorgehen, das von vielen Beobachtern als „institutioneller Staatsstreich gegen die Demokratie“ gewertet wird, veranlasst nun die „Neue Volksfront“ (NFP), laut über die Möglichkeit eines solchen Amtsenthebungs-Verfahrens nachzudenken. „Es handelt sich um eine denkbare Möglichkeit“, sagt der Koordinator der LFI (La France Insoumise) Manuel Bompard, „wenn der Präsident entscheidet, die Ergebnisse der Wahlen zu ignorieren, dann kann das nicht folgenlos bleiben“.
Doch klingt das alles mehr nach politischer Kommunikation als nach einer tatsächlich existierenden Möglichkeit. Denn das wie so vieles in der französischen Verfassung seltsam anmutende Prozedere sieht wie folgt aus: Um ein Amtsenthebungs-Verfahren anstrengen zu können, müssen sich die Mitglieder des Parlaments, also der Assemblée Nationale, als „Hohes Gericht“ konstituieren und das erfordert eine Zwei-Drittel-Mehrheit sowohl im Parlament, als auch im Senat. Zu einem Zeitpunkt, an dem es im Parlament noch nicht einmal einfache Mehrheiten gibt, ist das ein hoffnungsloses Unterfangen.
Dennoch bleibt festzuhalten, dass inzwischen in Frankreich ganz offen über diesen völlig undemokratischen „Staatsstreich“ Macrons diskutiert wird und seine Haltung, ein ungewüschtes Wahlergebnis einfach nicht umzusetzen, erinnert in der Tat eher an Donald Trump oder Maduro oder andere Diktatoren, die Wahlergebnisse nur dann anerkennen, wenn sie diese selbst fälschen konnten oder wenn sie für sie positiv ausgefallen sind. Macrons Vorgehen ist unglaublich – Wahlen auszuschreiben und dann deren Ergebnisse zu ignorieren, weil sie dem Präsidenten nicht passen, das ist ein in der V. Republik unerhörter Vorgang und der Vorwurf eines „institutionellen Staatsstreichs gegen die Demokratie“ ist durchaus nachvollziehbar.
Zumal auch der Chef der ebenfalls in der NFP organisierten Sozialistischen Partei PS, Olivier Faure, deutlich gemacht hat, dass die PS-Abgeordneten nicht für ein solches Verfahren zur Verfügung ständen. Insofern wird es kaum zu einem solchen Verfahren nach Artikel 68 kommen, doch zeigt alleine die Diskussion über eine solche Möglichkeit, dass dieser Präsident nach Ansicht vieler Politiker inzwischen den Boden der Demokratie verlassen hat und über Frankreich regiert wie früher Könige und Kaiser.
Den verbliebenen Abgeordneten der „Macronie“ müssen die Haare zu Berge stehen, denn nicht nur die Ergebnisse der drei Wahlen zwischen dem 9. Juni und dem 7. Juli zeigen, dass die „Macronie“ am Ende ist, sondern für die Abgeordneten der Macron-Partei, die das sinkende Schiff nicht rechtzeitig in Richtung „Horizons“ oder „MoDem“ verlassen haben, geht ihre politische Karriere nun zuende. Selbst Macron wird nicht verhindern können, dass 2027 ein neuer Präsident gewählt wird (er darf sich kein drittes Mal zur Wahl stellen und kann in der aktuellen Situation auch entsprechende Verfassungsänderungen vergessen, denn wie für seine Absetzung, bräuchte auch eine solche Verfassungsänderung Zwei-Drittel-Mehrheiten in beiden Kammern) und spätestens dann werden ihn die Franzosen zusammen mit seinen Adlaten zum Teufel jagen.
85 % der Franzosen haben inzwischen verstanden, dass Emmanuel Macron der wohl schlechteste Präsident der V. Republik ist und haben ihm die Unterstützung gekündigt. Dass Macron dies einfach ignoriert, ist undemokratisch und fast schon pathologisch, denn der Mann denkt immer noch, dass ihm die Macht über Frankreich gottgegeben ist. Das allerdings dachten auch verschiedene französische Könige, bis zu dem Moment, als die Guillotine diesen Gedanken schlagartig stoppte. Spannend ist es allerdings schon, wie weit Macron wirklich in seinem Kampf gegen die Franzosen gehen will – momentan sieht es so aus, als wolle er das Land tatsächlich bis 2027 dafür bestrafen, dass es ihn faktisch heute schon abgewählt hat. Die kommenden Zeiten werden höchst angespannt sein.
Macron einen Staatsstreich vorzuwerfen wäre korrekt wenn eines der politischen Lager eine absolute Mehrheit in der Assemblée Nationale hätte. Dies ist jedoch heute nicht der Fall, auch nicht für die NFP, die in letzter Zeit eher über innere Streitigkeiten statt Geschlossenheit auf sich aufmerksam macht. Tatsache ist: Die politische Lage ist in Frankreich sehr kompliziert geworden. Die Parteien müssen deshalb endlich den Mut aufbringen über die traditionellen politischen Gegensätze hinweg miteinander statt gegeneinander zu reden um eine tragfähige Mehrheit im Parlament zu erreichen.
Da haben Sie Recht, die Parteien müssen schleunigst lernen, miteinander zu reden und tragfähige Kompromisse zu finden. Das wird allerdings so lange unmöglich bleiben, wie Macrons einzige Strategie ist, die anderen Parteien des demokratischen Spektrums aufzufordern, sich hinter seiner abgewählten Regierung zu sammeln. Denn warum sollten das die anderen Parteien tun? Es stimmt, keine Formation hat die Wahlen wirklich gewonnen, aber eine hat die drei Juni/Juli-Wahlen haushoch verloren, und das ist die Macron-Partei. Dadurch, dass sich Macron beharrlich weigert dies anzuerkennen, wird er zum grössten Problem der französischen Politik.