Macron gießt weiter Öl ins Feuer

Nach den extrem gewalttätigen Demonstrationen vom letzten Samstag in Paris schickt Präsident Macron nun die Armee in die Schlacht. Doch wird der Einsatz der Armee das Land nicht befrieden.

Hätten es die Extremisten geschafft, den Polizisten aus dem Kleinbus zu zerren, hätte bereits am letzten Wochenende Schlimmeres passieren können. Foto: ScS EJ

(KL) – Am Samstag steht „Akt 19“ in Frankreich an. 19 Samstage, an denen immer weniger Gelbwesten und immer mehr Extremisten und selbsternannte Stadtguerilleros Paris, aber auch Städte wie Bordeaux und Toulouse in Brand stecken. 19 Samstag sind eine lange Zeit und die meisten Franzosen haben von diesem samstäglichen Spektakel die Nase voll. Als Lösung wird nun nicht etwa mit Vollgas der dringend erforderliche Reformprozess weitergeführt, dafür hat man wochenlang Zeit – stattdessen greift die französische Regierung zu einem Mittel, das die Eskalation in Richtung Bürgerkrieg weiter vorantreibt: Er schickt die Armee.

Die am Wochenende mobilisierten Soldaten sollen öffentliche und andere symbolträchtige Gebäude schützen (zum Beispiel am an jedem Wochenende umkämpften Arc de Triomphe), damit die Polizeikräfte mehr Ressourcen frei haben, um gegen die Randalierer vorzugehen. Dies ist die Reaktion der französischen Regierung auf die heftige Kritik am Vorgehen der Polizei am letzten Wochenende, als sich ganz Frankreich fragte, wie es sein kann, dass ein paar Hundert polizeibekannte Extremisten die Champs-Elysées in Brand stecken und 80 Geschäfte plündern konnten, ohne das dies verhindert wurde. Im Laufe der Woche musste der auch in der Benalla-Affäre belastete Pariser Polizeipräfekt Michel Delpuech seinen Hut nehmen, dazu noch ein paar weitere hohe Polizeioffiziere und Innenminister Castaner nahm selbst das Heft des Handelns in die Hand.

Nur – in einer Demokratie, also der Staatsform, in der zumindest dem Papier nach „alle Macht vom Volk“ ausgeht, schickt man nicht die Armee gegen das eigene Volk, denn das ist die allerletzte Vorstufe zum Bürgerkrieg. Mit dieser Maßnahme will der französische Präsident ein Zeichen setzen, doch er schafft eine brandgefährliche Präzedenz. Man sollte nicht vergessen, dass eine durchaus realistische Chance besteht, dass in Frankreich nach den nächsten Wahlen die Rechtsextremen an die Macht kommen und die aktuelle Regierung fabriziert gerade neue Instrumente zum Verbieten von Demonstrationen, die in der Hand einer extremistischen Regierung zu Instrumenten des Totalitarismus werden können.

Die Verschärfung der Auseinandersetzung ist genau das, was sich die Extremisten wünschen. In ihren Pamphleten kann man seit Jahren lesen, dass es darum geht, dass sich der Staat „die Maske vom Gesicht reißt“. Viele Beobachter fragen sich, ob sich nicht insgeheim viele der Rechtsextremen, Linksextremen, Neonazis und Black Blocks wünschen, dass es bei den „Akten“ zu einem Todesfall kommt und dass dies nicht bereits am letzten Samstag (und davor) der Fall war, ist zum einen Zufall und zum anderen dem umsichtigen Vorgehen der Polizei zu verdanken. Ein Todesopfer bei den samstäglichen „Akten“ wäre ein Märtyrer, mit dem sich die erschlaffende Gelbwesten-Bewegung wieder mobilisieren ließe.

Das Einzige, das Frankreich befrieden kann, ist eine sicht- und spürbare Verbesserung der sozialen Lage der Geringstverdiener in Frankreich. Genau darum geht es seit 19 Wochen und jeder in Frankreich weiß das, inklusive Präsident Macron. Viele vernünftige Kräfte in Frankreich verteidigen momentan (und seit 19 Wochen) die Funktion des Präsidenten, obwohl diese Funktion von Macron außerordentlich amateurhaft ausgekleidet wird. Denn die Angriffe auf Macron zielen auf den Zusammenbruch der staatlichen Institutionen und damit der Republik ab und es kann sich eigentlich kaum jemand wünschen, dass der französische Staat zusammenbricht und in die Hände der Anarchie brandschatzender Kleinkrimineller fällt. Doch es wäre an der Zeit, dass auch Emmanuel Macron ein klein wenig zur Befriedung der Situation beiträgt und mehr auf die Reihe bringt, als eine permanente TV-Dauerberieselung einer eitlen Personality Show.

Es liegt auf der Hand, an welchen Stellen die Reformen beginnen müssen und der Einsatz der Armee am kommenden Wochenende ist das wohl ungeschickteste politische Signal, das Macron aussenden kann. Den samstäglichen Extremisten kommt diese Maßnahme nun gerade Recht. In ihrem Narrativ erklärt der französische Staat ihnen damit den Krieg und das rechtfertigt den Einsatz so ziemlich aller Mittel.

„Akt 19“ könnte ein Wendepunkt in der „Gelbwesten-Krise“ werden und diese noch einmal deutlich verschärfen. In den Städten wird es zu zahlreichen Verhaftungen kommen, die Ordnungskräfte werden wieder vermehrt Gebrauch von den geächteten Hartgummigeschossen machen, es wird zu sehr gewalttätigen Auseinandersetzung mit zahlreichen dezentralen Guerilla-Übergriffen kommen und beide Seiten werden sich wie in einer Schlacht gegenüber stehen. Rund um die Extremisten werden wieder zahlreiche applaudierende Gelbwesten stehen und die Polizei wird extrem hart durchgreifen. Und sollte es den oder die erste Tote(n) bei den Demonstrationen geben, werden in Frankreich die Städte brennen. Warum wartet Emmanuel Macron eigentlich, um diese Eskalation endlich zu stoppen? Und warum sagt ihm keiner seiner Berater, dass man ein Feuer nicht löscht, indem man Öl hineingießt? Frankreich muss sich nun auf ein schwieriges Wochenende vorbereiten…

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