Macron verschärft die Krise weiter

Frankreich befindet sich bereits in einer Regierungskrise. Doch Präsident Macron hat nichts Besseres zu tun, als diese Krise auszuweiten. Hinter seinen Spielchen scheint ein Konzept zu stecken.

Man kann Emmanuel Macron nur wünschen, dass es ihm nicht so ergeht wie anderen Herrschern, die den Franzosen auf die Nerven gingen... Foto: Roland Godefroy / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Seit einem Monat wartet in Frankreich die als stärkste Fraktion aus der vorgezogenen Parlamentswahl hervorgegangene „Neue Volksfront“ (NFP) auf eine Antwort auf ihren Vorschlag, Lucie Castet zur neuen Premierministerin zu ernennen. Nachdem Präsident Macron sich am Freitag und gestern mit allen Parteioberen der im Parlament vertretenen Parteien getroffen hatte, zögert er nun weiter die Ernennung des nächsten Regierungschefs hinaus und ignoriert somit weiter die Ergebnisse der von ihm selbst hektisch nach seiner Wahlschlappe bei der Europawahl anberaumten vorgezogenen Parlamentswahl. Dann ging es gestern Schlag auf Schlag.

Zunächst schickte die NFP dem Präsidenten einen Brief, in dem sie ankündigte, künftig nur noch zu Gesprächen mit dem Präsidenten bereit zu sein, wenn es bei solchen Gesprächen um die „Modalitäten der Kohabitation“ mit einer neuen Regierungschefin Lucie Castet ginge. Andernfalls wäre inzwischen genug geredet und der Präsident könne die Entscheidung, wer künftig Frankreichs Regierung leiten soll, nicht aussitzen. Wenig später dann erklärte Emmanuel Macron, dass er nicht beabsichtigt, Louise Castets zur Premierministerin zu ernennen, dass er keine Regierung unter Leitung der NFP dulde und dass er in den kommenden Tagen neue Konsultationen mit den Parteien plane. Ansonsten empfiehlt er den Abgeordneten der PS, der Grünen und der PCF, die „Neue Volksfront“ zu verlassen und somit zu verraten, um sich seiner kleinen Fraktion anzuschließen, die früher einmal die „präsidiale Mehrheit“ war, aber bei den Parlamentswahlen implodierte.

Der Grund, aus dem sich Macron weigert, die Kandidatin der stärksten Fraktion mit der Regierungsbildung zu beauftragen, ist angeblich die „Stabilität“ im Parlament, ein Argument, das angesichts der Kräfteverhältnisse in der Assemblée Nationale ein Witz ist. Macrons übrig gebliebene Abgeordnete haben nicht die Spur einer Chance auf eine Mehrheit oder eine Koalition im Parlament und man muss sich fragen, ob Macrons Beraterstab überhaupt rechnen kann. Gegen die Stimmen der NFP und des rechtsextremen Rassemblement-ex-Front National hat die Macronie keine Chance, eine Regierung zu stellen oder eine Abstimmung zu gewinnen. Wenn Macrons Streben nach „Stabilität“ so aussieht, den Parteien mitzuteilen, entweder seine „präsidiale Minderheit“ zu unterstützen oder das Land unregierbar zu machen, dann hat der Mann entweder die Bodenhaftung verloren oder er verfolgt einen ganz anderen Plan.

Macrons einfachster Weg, alleine über das Land zu herrschen, ist Artikel 16 der französischen Verfassung. Dieser ist eine Art „Ermächtigungsgesetz“, mit dem der Präsident sich die alleinige Macht und nahezu unbegrenzte Kompetenzen zugestehen kann und zwar für den Fall, dass das ordungsgemäße Funktionieren der Institutionen nicht mehr gewährleistet ist. Dieser Artikel ist für Krisen wie Kriege gedacht, nicht aber für den Fall, dass einem Präsidenten die Wahlergebnisse nicht passen. Zur Aktivierung des Artikels 16 muss Macron nur aus der aktuellen Regierungskrise eine institutionelle Krise machen und genau das tut er gerade.

Zum einen kann er die abgewählte, aber kommissarisch immer noch im Amt befindliche Regierung nicht ewig über Wasser halten, zum anderen ist es illusorisch, seine Machtpläne darauf zu basieren, dass PS, Grüne und PCF ihre Fraktion verraten, weil Macron keine Regierung unter Leitung der NFP-Fraktion dulden will. Zum anderen kann man hin- und herrechnen, wie man will. Wer immer die nächste Regierung leiten sollte, wird bereits bei der ersten Abstimmung im Parlament die Vertrauensfrage gestellt bekommen und da reichen die Stimmen der NFP und der Rechtsextremen, um Macrons nächste Regierung bereits bei der ersten Abstimmung zu stürzen. Und schon wäre die institutionelle Krise gegeben und Macron könnte die Alleinherrschaft über Frankreich übernehmen.

Wenn er da mal nicht die Rechnung ohne die Franzosen macht! Dass ein Präsident, den gerade noch 15% der Franzosen unterstützen, derartig das Wahlergebnis und damit die Demokratie ignoriert, ist unglaublich. Der Mann stürzt, um seine persönliche Macht nicht zu verlieren, Frankreich in die größte politische Krise der V. Republik und sorgt damit selbst für einen heißen Herbst.

Die ersten Reaktionen aus der französischen Politik waren eine Mischung aus ungläubiger Verwunderung und blanker Wut. Dass ein französischer Präsident ein Wahlergebnis und damit die Demokratie ignoriert, weil ihm das Ergebnis nicht passt und das Ganze auch noch als „Streben nach Stabilität“ verkauft, das hat das Land noch nicht erlebt. Da Macron keinen Rechtsextremen zum Premierminister machen wird, und auch nicht die Kandidatin der NFP, wird er Probleme haben einen Deppen aus dem Zentrum zu finden, der in dieser aufgeheizten Stimmung den Posten des Premierministers übernimmt, nur um seine politische Karriere nach der ersten Abstimmung im Parlament beenden zu müssen.

Macron entwickelt sich vom Präsidenten der Franzosen zum Präsidenten gegen die Franzosen. Sollte er gerade wirklich wie ein Pokerspieler alles vorbereiten, um sich über Artikel 16 zum Alleinherrscher Frankreichs aufzuschwingen, dann kann man ihm nur wünschen, dass er sich rechtzeitig absetzt, bevor es ihm ergeht wie allen französischen Despoten in der Geschichte. Denn die Franzosen haben inzwischen verstanden, dass Macron nicht Teil einer Lösung sein wird, da er selbst das Hauptproblem geworden ist. Armes Frankreich, da braut sich Übles zusammen.

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