Macrons Europa: Krieg, Waffen und die Industrie

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz zeigte Emmanuel Macron auf, wie er Europa sieht: als einen bis an die Zähne bewaffneten Kontinent, der das Kapital und die Rüstungsindustrie schützt.

Die Lektionen, die Emmanuel Macron in München erteilen wollte, kamen nicht so richtig gut an. Foto: ScS EJ

(KL) – Seit zweieinhalb Jahren hört sich Europa den französischen Präsidenten Emmanuel Macron an, der Europa gerne in eine vor Waffen strotzende Festung umbauen würde, in der sich Industrie und Finanzprofis wohlfühlen und die 500 Millionen Europäerinnen und Europäer wie Ameisen dem Wohl des großen Kapitals zu dienen haben. So klang es auch in seiner Rede bei der Sicherheitskonferenz in München. Die Reaktionen waren verhalten, vor allem aus Deutschland kam wenig Begeisterung für Macrons Vision eines Europas, das nicht viel mehr als ein Erfüllungsgehilfe für die Interessen der Großindustrie wäre.

Das Europa von Emmanuel Macron ist weder sozial, noch humanistisch, noch ökologisch. Es ist – militärisch. Gemeinsame Rüstungsprojekte, die Versammlung der Europäer hinter der französischen Atomwaffe (deren Kontrolle natürlich nicht europäisch wird, sondern französisch bleibt), mehr Investitionen in die Rüstungsindustrie und gemeinsames Vorgehen gegen die vielen Bedrohungen. Nur – die größten Bedrohungen für Europa liegen gerade innerhalb Europas, im rasanten Anstieg der Neonationalisten, im Abbau sozialer Errungenschaften, in Dauerprotesten der Bevölkerung, vor allem in Frankreich, wo die Menschen diese soziale Kälte eben nicht mehr als „alternativlos“ hinnehmen.

Im Bereich des Sozialen hat Emmanuel Macron bereits weitgehend die Kontrolle über sein Land verloren, was man an den seit fast anderthalb Jahren andauernden Protesten ablesen kann, weswegen er dieses Thema auf europäischer Ebene geflissentlich außen vor lässt – und plötzlich ist es die europäische Außenpolitik, in der er glänzen möchte. Sein Konzept – jede Menge Geld in die Verteidigung pumpen (was den Rüstungsnationen Frankreich und Deutschland eigentlich entgegenkommen müsste), mehr europäisches Engagement in den internationalen Krisengebieten. Europa, künftiger Kriegsherr, gleichberechtigt neben den USA, Russland und China. Na, klasse.

Vor allem in Afrika würde Macron gerne mehr europäisches, vor allem mehr deutsches, militärisches Engagement sehen. Beispielsweise in Mali. In Mali will Frankreich angeblich den Rest der Welt vor malischen Terroristen schützen. Dabei geht es in erster Linie darum, dass Frankreich seine wirtschaftlichen Interessen in den ehemaligen französischen Kolonien in Afrika schützen will – es ist uns kein Fall bekannt, in dem ein malischer Terrorist Anschläge in Europa oder auf anderen Kontinenten als in Afrika verübt hätte. Dass er dafür wenig Unterstützung von den europäischen Partnern erhält, wen wundert’s?

In München gab sich Emmanuel Macron fast bescheiden. Nein, er strebt keine Führungsrolle in Europa an. Er schlägt nur Dinge vor und wer mitmachen will, der ist herzlich eingeladen mitzumachen. Also doch Führungsrolle, verbunden mit „wer nicht für mich ist, ist gegen mich“. Was man in Frankreich noch nicht so richtig erkannt hat, ist dass Macron auf internationaler Ebene kaum noch ernst genommen wird. Außerhalb Frankreichs erinnert man sich auch an den G7-Gipfel in Biarritz, wo Macron am Ende großartige Ergebnisse verkündete, von denen kein einziges Bestand hatte. In politischen Fachkreisen nennt man das „Schaumschlägerei“.

Doch zurück zu den vielen Bedrohungen, denen Macron gerne militärisch begegnen will. Wo sind diese internationalen Bedrohungen denn? Die Hauptbedrohung Europas liegt im Terrorismus und der ist in Europa ein europäisches Problem. Fast alle Terroristen, die in den letzten Jahren in Frankreich Attentate verübt haben, sind in Frankreich oder Belgien aufgewachsen, in den tristen Vorstädten von Paris oder in Vierteln wie Molenbeek in Brüssel. Diese Gefahr wird man nicht durch Militäreinsätze in den Griff bekommen, da sind andere Strategien gefragt.

In München unterstrich Macron die Gefahr durch Russland. Wieso nun ausgerechnet Russland? Braucht die EU ein Feindbild wie in den Zeiten des Kalten Kriegs? In der Cyberwelt kämpft heute jeder gegen jeden und die Manipulation der öffentlichen Meinung und von Wahlen ist schon längst kein russisches Monopol mehr. Will Macron etwa militärisch gegen Russland vorgehen?

Als internationale Ordnungsmacht eignet sich die Europäische Union nicht. Mit der von Macron zurecht kritisierten Einstimmigkeit der 27 EU-Mitglieder ist es praktisch unmöglich, eine gemeinsame Außenpolitik zu führen. Und seine Vision einer europäischen Streitmacht unter französischer Führung (diese Rolle würde Frankreich aufgrund des nuklearen Monopols in Europa zufallen), die ist eben für die anderen europäischen Partner ziemlich unattraktiv.

In München wurde deutlich, dass die übrigen Europäer Macron nicht auf dessen Kriegspfad folgen werden. Und das ist gut so – denn das Europa, das Emmanuel Macron vorschwebt, ist nicht etwa das „Europa der Menschen“, sondern das „Europa des Geldes“.

Nach dem Weltwirtschaftsgipfel in Davos und der Sicherheitskonferenz in München ist es auch dem Letzten klar – die Welt wird von Menschen gemanagt, denen es keinesfalls um das Wohl der Menschen und dieser Welt, sondern lediglich um eigene Interessen geht. Das allerdings ist das Gegenteil des demokratischen Grundprinzips. Und da wundern sich noch manche, dass Europa nicht die Sympathiewerte hat, die man sich erhofft? Wenn die Europäische Union aufhört, Erfüllungsgehilfe der Banken und der Rüstungsindustrie (und anderer Industrien) zu sein, dann wird es auch wieder mit der Sympathie klappen. Doch das erfordert wohl einen radikalen Personalwechsel.

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