Männerpolitik

In letzter Zeit entwickelt sich die Weltpolitik immer mehr zu einer Art politischem Gemächtvergleich. Zumindest dort, wo Männer an der Macht sind.

Ziemlich beste Freunde... oder auch nicht. Viel Freude beim NATO-Gipfel diese Woche! Foto: www.kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Recep Tayyip Erdogan konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Sein Ausfall gegen den französischen Präsidenten war so heftig, dass der türkische Präsidialdiktator immer weiter nachlegte. Und es klang so, als wolle er Emmanuel Macron zum Längenvergleich ihrer Organe herausfordern. Oder zum Armdrücken. Oder zu einer Schlägerei. Das können die Jungs diese Woche dann beim NATO-Gipfel persönlich machen. Und weiter mit dem Feuer spielen, das sie selbst angezündet haben.

Der Hintergrund: Vor einigen Tagen hatte Emmanuel Macron die NATO als „hirntot“ bezeichnet und massiv das türkische Vorgehen in Syrien kritisiert. Dabei muss man festhalten, dass der französische Präsident inhaltlich absolut Recht hatte, denn die unklaren Kooperationen zwischen der Türkei und Russland, aber auch mit anderen (Daesh?) ist bei einem NATO-Mitglied schlicht nicht akzeptabel. Die Antwort von Erdogan an die Adresse Macrons: „selber hirntot“! Und überhaupt, der französische Präsident sei ein Weichei, was man ja schon daran erkenne, dass ihm die Gelbwesten auf der Nase herumtanzen. Klar, in der Türkei würden die Gelbwesten jetzt entweder im Gefängnis sitzen, oder in einem Stadion zusammengepfercht oder einfach erschossen sein. Und Erdogan zog weiter vom Leder – Macron sei lediglich ein Schwätzer, der dauernd irgendwas erzählt, aber nicht liefert. Nicht ernstzunehmen, der junge französische Schönling. Inhalt und Form seiner Ausfälle machen jeden Kommentar überflüssig, doch sind sie leider keine Einzelfälle mehr.

Donald Trump und dem Nordkoreaner Kim Jong-un haben ihren Gemächtvergleich bereits hinter sich, der zwischen Trump und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping läuft noch. Oder Boris Johnson und Jeremy Corbyn – deren Auseinandersetzung ist auf einem Niveau angekommen, dass man kaum noch als Niveau bezeichnen kann. Und das sind nur die prominentesten Beispiele.

Und die Welt sitzt da, lächelt ein wenig wie Kinder auf dem Schulhof, die zuschauen, wie die Bullys, die normalerweise die Kleineren verprügeln, ausnahmsweise mal aufeinander losgehen. Und auf seinem hohen Ross sitzt da auch noch Wladimir Putin mit nacktem Oberkörper und fordert schon mal den Gewinner der Schulhofprügelei heraus.

Allerdings haben wir eigentlich wenig Grund zu lächeln, denn diese lächerlichen Hahnenkämpfe finden zwischen den dummerweise mächtigsten Männern der Welt statt. Und deren Prügeleien könnten zu einem Umkippen des weltpolitischen Gleichgewichts führen, das ohnehin schon zerbrechlicher ist, als dies seit dem Kalten Krieg der Fall war.

Solche Auseinandersetzungen finden dort statt, wo Macho-Landesretter am Drücker sind. Und das ist gefährlich. Denn alle genannten Staatenlenker haben eines gemeinsam – riesige innenpolitische Probleme. Und von denen lenkt man bekanntlich am besten ab, indem man die Wut seiner eigenen Bürger nach außen kanalisiert. Nichts eint ein zerstrittenes Volk besser als ein gemeinsamer äußerer Feind. Und das ist der Stoff, aus dem Kriege entstehen.

Die 20er Jahre des neuen Jahrhunderts werden dramatisch werden. Nicht nur, dass die wirklich drängenden sozialen und umwelttechnischen Probleme nicht gelöst werden, dazu werden wir das erleben, von dem wir uns immer wieder gegenseitig versichern, dass so etwas nie wieder stattfinden darf – Kriege. Daran tragen wir allerdings selbst eine große Mitverantwortung. Denn die Bullys, die uns gerade diese unwürdigen Schauspiele liefern, die wählen wir selbst. Bis auf den nordkoreanischen Sonderling sind alle genannten Akteure demokratisch gewählt worden. Von uns. Und das ist ungefähr so, als würden wir in der Schule die Schulhof-Bullys auch noch zum Klassensprecher gewählt haben.

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