Märchenstunde bei der französischen Polizei

Ein junger Mann wird nach seiner Kontrolle und Festnahme von französischen Polizisten mit einem Schlagstock vergewaltigt. Doch die offizielle Lesart lautet – es war ein „Unfall“. Aha.

Unglaublich, was man mit Schlagstöcken für "Unfälle" haben kann... Foto: Plani / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Théo ist in Frankreich heute ein Star, dabei hätte er wohl gerne auf diese mediale Aufmerksamkeit verzichtet. Der 21jährige, 1,90m groß, kräftig gebaut, hatte versucht, sich einer Kontrolle durch vier Polizisten in seiner Pariser Vorstadtsiedlung in Aulnay-sous-Bois zu wiedersetzen. Das hätte er lieber nicht tun sollen. Denn am Ende dieser Kontrolle steckte, man weiß gar nicht, wie man es anders ausdrücken soll, ein Schlagstock in seinem Anus. Dieser Umstand wird nicht einmal von der Polizei bestritten – doch darüber, wie der Schlagstock seinen Weg in Théo fand, gibt es seitens der Polizei eine unglaubliche Stellungnahme. Es soll sich um einen „Unfall“ handeln.

Das Leben in den Pariser Vorstädten ist nicht einfach. Für niemanden. Weder für die Menschen, die in den Legebatterien dieser Vorstädte leben, häufig in einer Art Ghetto-Situation in Siedlungen, in denen bis zu 80 % der Menschen einen Migrationshintergrund haben, aber auch nicht für die Ordnungskräfte, die vergeblich dagegen ankämpfen, dass sich diese Viertel in rechtsfreie Zonen verwandeln. Insofern ist nachvollziehbar, dass die Polizei, wenn sie dann schon einmal Kontrollen durchführt, darauf achtet, dass sie zahlenmäßig nicht unterlegen ist. Wie auch im Fall von Théo, als vier Polizisten den jungen Mann kontrollierten.

Darüber, warum am Ende der Kontrolle, der sich Théo zu widersetzen versuchte, ein Schlagstock in seinem Anus befand, gibt es nun zwei Versionen – diejenige von Théo, die auch von den Ärzten gestützt wird, die ihn danach untersuchten und diejenige der Polizei, deren Untersuchung eine Theorie produzierte, anhand derer man verstehen kann, wenn das Vertrauen der Franzosen in die Polizei nachhaltig erschüttert wird. Denn während Théo von einer „Vergewaltigung“ spricht, geht der Polizeibericht von einem „unglücklichen Unfall“ aus, bei dem sich dieser Schlagstock dorthin verirrte, wo er am Ende steckte. Und raten Sie mal, wem man am Ende glauben wird…

Hier also die Version der Polizei: Nachdem die vier Polizisten den jungen Mann, der sich wild wehrte, fixiert hatte, soll angeblich seine Hose heruntergerutscht sein und sich dabei, ebenso unglücklich, der sich zufällig in der Hand des Polizisten befindliche Schlagstock unglücklicherweise 10 cm tief in Théos Anus gebohrt haben. Eine so unglückliche Verkettung von unglücklichen Zufällen – ist dann doch schon starker Tobak. Und ebenso starker Tobak ist, dass die Polizei wohl allen Ernstes erwartet, dass irgendjemand diesen hanebüchenen Schwachsinn glaubt. Doch das ist der Polizei egal – wichtig ist nur, dass die Justiz es am Ende glauben wird und da keine Krähe einer anderen ein Auge aushackt, wird die Justiz dann wohl im Zweifelsfall die Theorie der Polizei als wahr ansehen.

Eine interessante Übung ist es, sich einmal konkret vorzustellen, wie diese Situation laut Polizeibericht abgelaufen sein soll. Vier kräftige Polizisten immobilisieren einen kräftigen jungen Mann, der sich wehrt. OK. Dann rutscht diesem jungen Mann die Hose herunter. Kann passieren. Doch was muss passieren, dass sich in dieser Situation der Schlagstock eines der vier Polizisten in den Anus des jungen Mannes „verirrt“? Ein Unfall? Beim besten Willen nicht…

Wenn man sich dann noch vor Augen hält, dass Théo von schwarzer Hautfarbe ist und dass festgestellt wurde, dass in Frankreich ungefähr zwei Drittel der Polizisten dem Gedankengut des rechtsextremen und ausländerfeindlichen Front National nahe stehen, dann muss man eigentlich nur 1 und 1 zusammenzählen, um massivste Zweifel an der Theorie der Polizei zu haben. Für das Opfer dieser Gewalttat ist dieser Polizeibericht vermutlich wie eine zweite Vergewaltigung. Und niemand sollte sich wundern, dass bei dieser Haltung der Polizei seitdem mal wieder die französischen Vorstädte brennen.

Ein Bruch geht gerade durch die französische Gesellschaft und Zwischenfälle wie dieser sind alles andere als geeignet, diese Unruhen zu befrieden. Vor allem, wenn am Ende des Verfahrens die beteiligten Polizisten wie so oft freigesprochen werden. Und jede Wette, das werden sie, denn wie sollte Théo beweisen, dass es sich nicht um einen Unfall gehandelt hat?

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