März 2015: Frankreich wählt. Aber was eigentlich?

Bei den Departementswahlen Ende März wählen die Franzosen ihre Departements-Räte. Ohne dabei zu wissen, was diese für Aufgaben haben werden.

Nur 40 % der Franzosen wollen am 22. und 29. März wählen gehen. Ein Drittel der Franzosen weiss nicht einmal, dass Wahlen stattfinden. Foto: Claude Truong-Ngoc / Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Das ist schon eine seltsame Wahl, die in Frankreich am 22. und 29. März stattfinden wird. Es geht um die Departementswahlen – und im Kontext der französischen Gebietsreform weiß niemand so genau, welche Zuständigkeiten die neuen Departementsräte haben werden. Bekannt sind eigentlich nur ein paar formelle Neuerungen, von denen einige ziemlich gut klingen, andere eher nebulös und leider auch, dass diese Wahlen eine rekordverdächtige Anzahl Nichtwähler erbringen wird und dass der rechtsextreme Front National der große Gewinner sein wird.

Neu ist zunächst einmal der Name. Denn die neuen Departementsräte werden erstmals die Generalräte ablösen. Doch das ist zunächst einmal nur ein Austausch eines Etiketts. Neu ist ebenfalls, dass die Franzosen „Kandidatenpärchen“ wählen werden, so genannte „Binome“ – und zwar immer eine Frau und einen Mann. Diese Art der Doppelkandidatur stellt sicher, dass künftig auf Departementsebene die gleiche Anzahl Männer und Frauen im Parlament sitzen werden. Frauenquote einmal anders.

Doch das Wichtigste steht in den Sternen. Mit der Bildung der neuen „Superregionen“ ist momentan völlig unklar, welche Kompetenzen diese neuen Departementsräte haben werden und welche der früheren Zuständigkeiten der früheren „Generalräte“ an die neuen Regionen abgetreten werden sollen. Und das ist mehr als seltsam. Denn wozu nützt eine Wahl, wenn man gar nicht weiß, was die so gewählten Volksvertreter für Aufgaben haben werden? Folgerichtig ist vielen Franzosen diese Wahl auch herzlich egal. Aktuellen Umfragen zufolge weiß ein gutes Drittel der Franzosen gar nicht, dass diese Wahlen stattfinden werden und knapp 60 % der Befragten geben heute schon an, nicht wählen gehen zu wollen.

Das wiederum wird ein mittleres politisches Erdbeben in Frankreich zur Folge haben. Der rechtsextreme Front National dürfte der große Gewinner dieser seltsamen Wahl werden und damit die Weichen für die Präsidentschaftswahl 2017 stellen. Denn während sich die konservative UMP mit ihren „Spitzenkräften“ von vorgestern, wie Nicolas Sarkozy oder Alain Juppé, selbst zerfleischt, ist die Regierungsschwäche der sozialistischen PS derart frustrierend für die Franzosen, dass sie zahlreich für diejenige stimmen werden, von der sie glauben, dass sie das völlig verfilzte politische Establishment in Frankreich aufmischen kann – Marine Le Pen. Dass sie damit den Teufel wählen, um den Beelzebub auszutreiben, das merken die Franzosen leider nicht.

Das Format ist denkbar einfach. Wenn ein „Binom“ im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erringt, ist es gewählt und der Kandidat und die Kandidatin ziehen ins Parlament des jeweiligen Departements ein. Ansonsten gehen die beiden stärksten „Binome“ in den zweiten Wahlgang, begleitet von denjenigen „Binomen“, die mindestens 12,5 % der Stimmen erhalten haben. Angesichts der aktuellen politischen Stimmung im Land dürfte es dürfte es zahlreiche dieser Dreieckskonstellationen im zweiten Wahlgang am 29. März geben – wobei in sehr vielen Wahlkreisen der Front National nach dem ersten Wahlgang stärkste Partei sein dürfte. Da sich sowohl die UMP wie auch die PS im Bereich von 20 % wiederfinden dürften, kann der Front National als strahlender Hoffnungsträger mit breiter Brust in den zweiten Wahlgang gehen. Was dann passiert, steht in den Sternen, doch Frankreich läuft Gefahr, einen bislang nie dagewesenen Rechtsruck nach Rechtsaußen zu erleben, eine Art politische Götterdämmerung für die bislang führenden „Volksparteien“, die schon lange keine Parteien für das Volk mehr sind.

Warum diese Wahl ausgerechnet jetzt stattfinden muss, wo noch in verschiedenen Regionen Regionalisten aller Couleur versuchen, gegen die schon längst vom Parlament abgesegnete Gebietsreform Stimmung zu machen, ist unverständlich. Das Wenigste, was man vor einer Wahl wissen sollte, ist, welche Aufgaben die so Gewählten haben sollen. Doch das weiß im Augenblick niemand.

Diese Wahlen zu den Departementsräten, deren Aufgaben noch keiner kennt, wird die Politikmüdigkeit der Franzosen weiter vertiefen. Eine große Mehrheit der Franzosen wird nicht wählen gehen, was allerdings auch nur den Rechtsextremen nützen wird, die ihrerseits über das aktuell wohl größte Mobilisierungspotential ihrer Anhänger verfügen. Es wäre sicherlich besser gewesen, hätte man diese Wahl auf einen Zeitpunkt verschoben, zu dem die neuen Zuständigkeiten der neuen Regionen und der Departements geklärt gewesen wären. Stattdessen findet diese Wahl in einer Art politischem Nebel statt, in dem Frankreich weiter einer folgenschweren politischen Katastrophe entgegen taumelt.

3 Kommentare zu März 2015: Frankreich wählt. Aber was eigentlich?

  1. Lucia Oppermann // 4. März 2015 um 9:56 // Antworten

    Vielen Dank für die ausführliche Darlegung der Situation in Frankreich. – Neben dem zu erwartenden Aufschwung des Front National habe ich in den deutschen Medien (im Zuge der Veröffentlichung des neuen Romans „Unterwerfung“ von M. Houellebecq) verfolgt, dass erstmals (?) die „union des démocrates musulmans français“ bei den Departementswahlen antreten wird. Gibt es hierzu eine Wahlprognose und eine Einschätzung zur Bildung von „Binomen“?

  2. Kai Littmann // 4. März 2015 um 23:38 // Antworten

    Die UDMF wird Listen in sechs Wahlkreisen präsentieren und denkt laut darüber nach, einen Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl 2017 ins Rennen zu schicken. Diese erst 2012 gegründete Partei ist in der Tat Gegenstand sehr kontroverser Debatten, trotz ihrer grundlegenden Aussagen, die eher auf ein Zusammenleben, als auf ein gelebte Version der Houellebecq’schen Visionen hinweisen. So gab es tatsächlich Schwierigkeiten, Kandidaten-Binome aufzustellen, da das Format “ein Mann, eine Frau” genau in der Community Probleme mit sich führt. Nach den Attentaten von Paris ist eine große Mehrheit der Franzosen dieser neuen Formation gegenüber sehr kritisch eingestellt – was aber in einem Land, in dem eine rechtsextreme Formation in allen Umfragen vorne liegt, auch nicht weiter verwundert. Eine derart religiös motivierte Partei erscheint in der aktuellen Zeit irgendwie deplatziert, doch wenn man mal genauer nachdenkt, wird Deutschland von einer Partei regiert, die genau so einen religiösen Bezug in ihrem Namen trägt…

  3. Lucia Oppermann // 5. März 2015 um 10:46 // Antworten

    Danke für die Information!

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