„Make Europe great again“…
Ungarns Regierungschef Viktor Orban hält unter Protesten eine Rede vor dem Europäischen Parlament. Das Europa, das ihm vorschwebt, ist nicht das der übrigen Mitgliedsstaaten.

(KL) – Viktor Orban ist definitiv der „Unsympath“ auf der europäischen Bühne. In seiner Eigenschaft als turnusmäßiger EU-Ratspräsident hielt er gestern eine seltsame Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg, die unter dem bei Donald Trump abgekupferten Slogan „Make Europe great again“ stand. Allerdings, und darauf wies ihn die nicht viel beliebtere Kommissonspräsidentin Ursula von der Leyen hin, ist das Europa, das sich Viktor Orban vorstellt, nicht das Europa der 26 anderen Mitgliedsstaaten.
Orbans Hauptkritikpunkt an der EU-Politik ist, wenig überraschend, die Asylpolitik der Union. Mit seiner Feststellung, dass „das europäische Asylsystem nicht funktioniert“, liegt Orban durchaus richtig. Was er nicht erwähnte, ist dass das europäische Asylsystem unter anderem deswegen nicht funktioniert, weil Ungarn bisher sämtliche Beschlüsse zum Thema „Asyl“ einfach ignoriert.
Orbans Vorschlag lautet, überhaupt keine Migranten mehr nach Europa zu lassen, sondern Asylzentren außerhalb der EU-Grenzen einzurichten, damit nur Migranten nach Europa kommen, die im Vorfeld Asyl in Ausssicht gestellt bekommen. Das klingt nach einem alten Vorschlag, der seit über 10 Jahren durch die Institutionen geistert, mit einem gewichtigen Unterschied. Der bislang diskutierte Vorschlag zur Einrichtung von Asylzentren außerhalb der EU hatte zum Ziel, das Sterben im Mittelmeer zu beenden, während Orban eher von einem reinrassigen Europa träumt.
Ausgerechnet Orban erklärte in der Folge, dass die illegale Migration zu mehr Antisemitismus, mehr Gewalt gegen Frauen und Homophobie führt. Also zu genau den Phänomenen, die Orban bisher immer unterstützt hat (bis auf die Gewalt gegen Frauen). Recht hatte Orban mit der Feststellung, dass der Schengen-Raum gerade auseinanderbricht, wobei Deutschland, die Niederlande und Dänemark eine besonders fragwürdige Rolle spielen.
Dazu kündigte Orban an, dass sich Ungarn künftig nicht mehr an einer europäischen Asylpolitik beteiligen will, was allerdings auch nichts Neues ist, weil sich sein Land unter seiner Führung noch nie an der europäischen Asylpolitik beteiligt hat.
Ebenfalls überraschend in Orbans Rede war der Vorschlag, den „Green Deal“ auszusetzen und seine Aussage, dass Klima- und Umweltschutz schädlich für das europäische Wachstum seien.
Nach seiner Rede ergriff Ursula von der Leyen das Wort und erinnerte daran, dass „ein Land“ der EU Sonderwege beispielsweise im Verhältnis zu Russland geht und dass Ungarn weiterhin das Einfallstor für Russen ist, die in die EU kommen wollen.
Wie zerrissen das Europäische Parlament in dieser neuen Legislaturperiode ist, erkannte man an den Reaktionen im Straßburger Sitzungsrund. Während die Abgeordneten aus den linken Fraktionen Schilder mit der Aufschrift „Demokraten gegen Autokraten“ hochhielten und nach Orbans Rede „Bella Ciao“ sangen, gab es Standing Ovations aus den Reihen der Rechtsextremen.
Ungarn hat in der EU eigentlich nichts mehr verloren, außer dass Budapest gerne die Hand aufhält und europäische Subventionen kassiert. Ein wie auch immer gearteter positiver Beitrag Ungarns zur EU ist kaum erkennbar und einmal mehr fällt auf, dass die EU über keine Instrumente verfügt, um Ländern, die den „europäischen Weg“ verlassen, den Stuhl vor die Tür zu stellen. Ob die Union in diesem Zustand die gerade angelaufene Legislaturperiode übersteht?
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