Man mag schon gar nicht mehr hinhören

Während Präsident Macron weiterhin stolz behauptet, dass Frankreich, das die drittmeisten Covid-Opfer in Europa zu beklagen hat, diese Krise besser als alle anderen handhabe, bereitet Gesundheitsminister Véran die Bevölkerung auf den dritten „Lockdown“ vor.

"Niemand managt diese Krise genialer als ich!". Naja, Monsieur Macron, das kann man so oder so sehen... Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Gut, die Impf-Kampagnen haben fast überall in Europa begonnen. Aufgrund der bislang erst in geringen Mengen verfügbaren Vakzine, kann man momentan eigentlich erst von einem symbolischen Start sprechen, bei dem es darum geht, der Bevölkerung zu zeigen, dass es voran geht und dass man aktiv an Lösungen arbeitet. Das ist soweit völlig in Ordnung, vor allem, wenn dann in den kommenden Tagen und Wochen ausreichend Vakzine für die Impfpläne bereitstehen. Doch wird immer schwerer nachzuvollziehen, wohin eigentlich die französische Regierung steuert.

Auf der einen Seite haben wir Präsident Macron, dessen Diskurs beruhigend wirken soll, nach dem Tenor „wir haben alles im Griff und managen die Krise besser als alle anderen“, was objektiv falsch ist, denn mit über 60.000 Opfern ist Frankreich das am drittmeisten von der Corona-Krise betroffene Land, das speziell während der ersten Welle seiner Bevölkerung geradezu haarsträubende Lügen aufgetischt hatte, um zu bemänteln, dass man auf eine solche Krise nicht vorbereitet war. Offenbar arbeiten im Präsidentenpalast nur Amateure, wenn es um Krisen-Kommunikation geht. Dass keine Regierung der Welt auf diese bisher in der Menschheitsgeschichte einzigartige Krise vorbereitet war, das versteht jeder. Daher war es absolut überflüssig, den Franzosen und Französinnen Lügenmärchen zu erzählen, doch aus dem 1001-Nacht-Modus kommt Präsident Macron einfach nicht heraus. Hierbei liegt zugrunde, dass der französische Präsident nach seinem Selbstverständnis ähnlich unfehlbar ist wie der Papst. Dabei ist er nicht mehr und nicht weniger als der erste Angestellte des Staats. Der gerade munter trompetet, man habe nun endlich eine „neue Waffe“ gegen das Virus. Die Enttäuschung der Franzosen, wenn es dann in den nächsten Tagen zum dritten „Lockdown“ kommt, wird riesig sein.

Auf der anderen Seite haben wir Gesundheitsminister Olivier Véran. Dieser versucht, etwas Vernunft in den öffentlichen Diskurs zu bringen und daher bereitet er die Franzosen jetzt schon auf den dritten „Lockdown“ vor, der das direkte Ergebnis einer völlig unverständlichen Lockerung aller Maßnahmen im Dezember sein wird. Während ganz Europa dicht machte, machte Frankreich alles auf, bis auf Restaurants, Cafés und Kulturorte. Ergebnis – ganz Frankreich tummelte sich in der Vorweihnachtszeit in den Innenstädten, schlürfte Glühwein und traf sich mit Freunden, Bekannten und der Familie. Phasenweise musste man schon genau hinschauen um zu erkennen, dass in den französischen Innenstädten KEINE Weihnachtsmärkte stattfanden. Nachdem nun alle Weihnachtseinkäufe getätigt wurden, alle unverzichtbaren Weihnachtstafeln leergefuttert wurden, darf man jetzt wieder realistisch mit der Situation umgehen. Véran: „Ich kann einen dritten ‚Lockdown‘ nicht ausschließen, wenn sich die Situation der Epidemie nicht verbessern sollte.“ Aha.

Nur – die Französinnen und Franzosen sind weitaus schlauer, als ihre eigene Regierung das glaubt. So können die Französinnen und Franzosen beispielsweise Zahlen lesen und sie wissen ganz genau, dass sich die Situation der Epidemie in den kommenden Tagen nicht verbessern, sondern deutlich verschlechtern wird. Nachdem Frankreich im Dezember das Hohe Fest des Konsums vor die Frage der Volksgesundheit gestellt hat, die Bevölkerung herzlich eingeladen war, Weihnachten (fast) wie immer zu feiern, zur Familie durchs ganze Land zu reisen (dafür wurde extra das Verbot aufgehoben, zwischen den Regionen zu reisen), kommt im Januar der nächste pandemie-Hammer. Und damit auch der jetzt schon von Olivier Véran in Aussicht gestellte dritte „Lockdown“.

Es würde deutlich mehr Sinn machen, würde die französische Regierung weniger Energie darauf verwenden, sich selbst auf die Schulter zu klopfen und genial zu finden, als vielmehr diese Energie zu investieren, um auf europäische Ebene gemeinsame Strategien zu entwickeln. Denn das haben die Regierungen trotz aller ihrer vermeintlichen Genialität immer noch nicht begriffen – eine Pandemie kann nicht auf nationaler Ebene besiegt werden. Wenn beim Nachbarn das Virus weiterhin grassiert, dann kommt es logischerweise auch dorthin wieder zurück, wo man meint, es national bezwungen zu haben. Was ist bitteschön daran so schwer zu verstehen, vor allem für eine Regierung, die sich selbst göttliche Attribute andichtet?

Und irgendwie haben es alle Französinnen und Franzosen kommen sehen. Der Dezember war ein Monat zum Luftholen und ein wenig so tun, als sei das Leben normal, bevor dann im Januar wieder der „Lockdown-Hammer“ kommt. So richtig nötig wäre das allerdings nicht gewesen.

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