Manipulativer Wahlkampf

Präsident Macron hat zwar immer noch nicht seine Kandidatur für eine zweite Amtszeit erklärt, dafür ist er aber schon mitten im Wahlkampf. Mit Manipulationen aus der untersten Schublade.

Der französische Hahn kräht wieder einmal ziemlich laut. Und falsch. Foto: Stéphane Lemarchand, caricaturiste / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Yo, das war eine Hammer-Info! Frankreich hat 2021 ein Wirtschaftswachstum von 7,0 % hingelegt, das stärkste Wachstum seit 1969! Seit das Statistik-Institut INSEE diese Zahl veröffentlicht hat, sind Macrons Helferlein an der Front, um den Franzosen diese gute Nachricht zu überbringen. Wie immer müssen Superlative herhalten, wie immer hat kein anderes Land die Krise derart phantastisch gemanagt, wie immer müssen sich die Franzosen glücklich schätzen, einen von den Göttern geküssten Präsidenten zu haben. Schade nur, dass dieses Wachstum nicht in einem „normalen“ Jahr erfolgte, denn das wäre eine echte Leistung gewesen. Diese 7 % Wachstum muss man im Licht des Vorjahres sehen, als die französische Wirtschaft um 8 % einbrach. In den bisherigen zwei Jahren der Pandemie beträgt das reale Wirtschaftswachstum folglich -1 %. Nicht unbedingt ein Grund für Jubelarien.

Die Tatsache, dass Macron es immer noch nicht für nötig hält, seine Kandidatur zu erklären, ist eine erneute Missachtung der Franzosen und der französischen Demokratie. Obwohl seine Wahlkampfplakate bereits überall in Frankreich hängen, obwohl Macron von einer Veranstaltung zur nächsten hetzt, die zwar alle nicht als Wahlkampfveranstaltungen deklariert sind, aber nichts anderes sind, lässt sich der smarte Präsident seinen Wahlkampf vom Steuerzahler finanzieren. Denn solange er nicht offiziell Kandidat ist, wird weder seine Medienzeit erfasst (wie für alle anderen Kandidaten, um so etwas wie Chancengleichheit herzustellen), noch muss er für seine Wahlkampftermine selbst aufkommen. Aber letztlich ist es nichts Neues, dass dieser Präsident mit seinen Landsleuten und dem Konzept der Demokratie nicht allzu viel anfangen kann.

Erstaunlich ist aber die Qualität seiner manipulativen Kommunikation. Macron schafft es immer wieder, sein eigenes Versagen und das seiner Adlaten als „Erfolge“ zu verkaufen. Ob es sich nun um die Pandemie handelt, die „kein anderes Land besser gemanagt hat“ (Frankreich gehört heute zu den drei weltweit am stärksten betroffenen Ländern), ob es sich um die Wirtschaft dreht, die Sicherheit im Lande – alles unter Macron ist „perfekt“. Und es gibt tatsächlich noch 25 % der Franzosen, die dieses Märchen der präsidialen Unfehlbarkeit glauben. Allerdings ist das nicht wirklich verwunderlich, kontrollieren doch Macrons Freude (bis auf Herrn Bolloré, dessen Herz für Eric Zemmour schlägt) sämtliche großen Medien Frankreichs. Das vereinfacht natürlich die Verbreitung der Nachrichten über den heilsbringenden Präsidenten…

So nun auch die wundersame Genesung der französischen Wirtschaft. Finanzminister Bruno Le Maire wurde in die Morgensendungen geschickt, um die gute Nachricht unters Volk zu bringen: „Die französische Wirtschaft hat sich spektakulär erholt und das hat die Wirtschaftskrise ausgelöscht“, erzählte er den staunenden Franzosen. Was Bruno Le Maire und die anderen allerdings nicht sagen, ist dass die französischen Experten mit einem Firmensterben rechnen, sobald die Staatshilfen eingestellt werden. So prognostizieren Fachleute der CCI (französische IHK) für 2022 bis zu 100.000 Firmenpleiten, was doppelt so viele sind wie in „normalen“ Jahren. Und das bedeutet, dass man die Wirtschaftskrise, die in der Folge der Pandemie eintreten wird, lediglich auf einen Zeitpunkt nach den Wahlen verschoben hat – bis dahin lässt sich der Präsident mit seinem Team als der „Retter Frankreichs“ feiern. Was danach passiert, interessiert schon niemanden mehr…

Dass die französischen Politiker mit ihren Manipulationen, Fake News und Halbwahrheiten dafür gesorgt haben, dass bei den letzten Wahlen rund zwei Drittel der Wähler gar nicht mehr wählen gegangen sind, weil das Vertrauen in die Politik grundlegend erschüttert ist, interessiert die handelnden Akteure nicht. Die sind zufrieden, wenn sie sich mit 12 oder 15 % der wahlberechtigten Stimmen in Amt und Würde getrickst haben. Doch in Krisenzeiten wie diesen brauchen unsere Länder keine „politischen Hütchenspieler“, sondern ernsthafte Politiker und Politikerinnen, die sich nicht nur für sich selbst, sondern zumindest auch ein bisschen für ihr Land interessieren. Aber das wird im französischen Superwahljahr 2022 wohl ein frommer Wunsch bleiben.

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