Valls in Berlin: Guter Wille, aber gegenseitiges Unverständnis
Wenn es um Politik und nicht um höflich-diplomatischen Austausch geht, funktioniert die Kommunikation zwischen Frankreich und Deutschland gerade nicht so toll.
(KL) – Ist es am Ende doch ein Generationsproblem? Zwar gaben sich beim zweitägigen Besuch des französischen Regierungschefs Manuel Valls in Berlin und Hamburg alle große Mühe, zivilisiert miteinander umzugehen, doch ließ sich kaum mehr verdecken, dass Valls und Merkel in verschiedenen Welten leben. Die leider nicht so gut zusammenpassen.
Da nützten auch die großartigen Ankündigungen des Premierministers Valls nichts, der stolz verkündete, wie viele Milliarden Euro er in den nächsten Jahren in Frankreich einsparen will. Da kam die Bühne in Berlin gerade passend, denn solche Aussagen zu treffen, das würde sich Valls in Frankreich mittlerweile wohl nicht mehr trauen. Denn die Franzosen würden sie ohnehin nicht mehr glauben.
Stolz war er, der junge Regierungschef aus Paris. „Ich will den Deutschen sagen: Wir werden die Reformen umsetzen, denn das liegt im Interesse Frankreichs.“ Klasse. Konkreter als „wir werden den Haushalt konsolidieren“ wurde es aber auch nicht. Nur eines weiß Valls ganz genau: wie viele Milliarden die nicht näher definierten Reformen einbringen werden. Nämlich so zwischen 20 und 50 Milliarden Euro. So etwas nennt man dann wohl „Realitätsverdrängung“.
Gegenüber der Kanzlerin Merkel versuchte Valls, für Verständnis dafür zu werben, dass Frankreich zum wiederholten Mal die Maastrichter Stabilitätsskriterien nicht einhalten wird. Nach wie vor sieht Valls das Heil Frankreichs in staatlichen Investitionen, die nur über eine stärkere Verschuldung realisiert werden könnten und die vor allem einen riesigen Nachteil haben – Konjunkturprogramme für die Wirtschaft versanden in der Regel bei den Banken. Die Wirtschaft profitiert nur selten von solchen Programmen, die Menschen nie. Da klang es schon fast zynisch, als Angela Merkel dem französischen Regierungschef „viel Erfolg“ bei seinen Reformen wünschte und ansonsten daran erinnerte, dass das Einhalten der Stabilitätskriterien „alternativlos“ sei.
Überheblich wurde die Kanzlerin dann allerdings auch noch. „Es gibt viele Wege, wie man Schulden auch ohne neue Kredite abbauen kann“, schrieb sie Manuel Valls ins Stammbuch und da war sie wieder, die oberlehrerhafte Haltung der Kanzlerin, die immer noch meint, dass Europa am deutschen Wesen gesunden müsste. Dass Deutschland seine relative Stabilität auf dem Rücken eines mittlerweile völlig abgehängten Prekariats organisiert, verschweigt die Kanzlerin aber gerne. Diejenigen, die sie bluten lässt, haben zum Glück keine Lobby. Frankreich sollte sich aber nicht auf einen solchen Sozialabbau einlassen – das würde dort nämlich zu einer mittleren Revolution führen.
Ansonsten klang der meist recht aggressiv auftretende Valls bei seinem Deutschlandbesuch, als habe er vor dem Abflug kiloweise Kreide gefressen. So äußerte sich Valls, der in Frankreich keine Gelegenheit auslässt, Deutschland für alle Probleme Frankreichs verantwortlich zu machen, sehr verständnisvoll dafür, dass Deutschland auf die Einhaltung der Stabilitätskriterien besteht. Sehr staatsmännisch. „Ich verstehe die Zweifel. Ich verstehe die Fragen des deutschen Volkes und seiner Vertreter.“ Na dann.
Und, wie gesagt, Valls zeigte sich stolz. „Ich bin nicht gekommen, um etwas zu erbitten, um irgendeine Nachsicht zu erbitten“ – und damit ist es dann ja auch gut. Denn Angela Merkel wird der Regierung Valls keine Gefallen tun. „Wir müssen uns an das halten, was wir miteinander vereinbart haben, und das ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt.“ Sagte die Kanzlerin. Ende der Durchsage. Man darf gespannt sein, wie sich das Verhältnis zwischen der französischen und der deutschen Regierung weiter entwickelt. Aber eine echte Ebene der Verständigung zwischen Valls und Merkel wird es wohl kaum geben.
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