„Mayxit“ statt „Brexit“

Die Frage, ob und wann Großbritannien die EU verlässt, könnte sich diese Woche entscheiden. Oder auch nicht. War die Akte „Brexit“ bisher ein Shakespeare-Drama, wird sie immer mehr zu einer Monty-Python-Farce.

So richtig scheinen die Briten an Theresa Mays Slogan "Strong and Stable" nicht mehr zu glauben... Foto: Jwslubbock / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – „And now something completly different“, scherzte einst John Cleese in den zu Klassikern gewordenen Sketchen von „Monty Pythons Flying Circus“. Und für etwas völlig anderes wäre es tatsächlich an der Zeit, denn was die britische Politik, Regierung und Opposition eingeschlossen, bisher zum Thema „Brexit“ abgeliefert hat, ist wohl das Dämlichste, was europäische Politiker seit Ende des II. Weltkriegs veranstaltet haben.

Heute ist wieder Abstimmungstag im Unterhaus und Theresa May hat sich bereits gestern die erste Ohrfeige dieser Woche abgeholt. The Honorable John Bercow hat die geplante dritte Abstimmung über Mays Vertragsentwurf abgelehnt, unter dem Verweis auf eine 400 Jahre alte Parlamentsregel, die besagt, dass man den gleichen Gesetzentwurf nicht so oft zur Abstimmung vorlegen kann wie man will. Jetzt wird es also spannend, worüber überhaupt abgestimmt werden kann. Für Theresa May wird es schwierig werden, ein anderes Mandat als das zu erhalten, das sie bereits hat – nämlich dass sie höflich beim EU-Gipfel diese Woche in Brüssel anklopfen darf um zu fragen, ob denn eine kleine Verlängerung möglich wäre.

Aber das Unterhaus ist an Überraschungen gewohnt. Wer weiß, welche seltsamen Wendungen der ganze „Brexit“ noch nimmt. Oder ob dieses Mal über etwas ganz anderes abgestimmt werden wird. Oder auch nicht. Oder vielleicht doch. Theresa May gehe, langsam die Optionen aus und sie verliert mehr und mehr die Kontrolle und – sie wird auch von Oppositionschef Jeremy Corbyn nicht unterstützt, dessen einziges Ziel es ist, endlich Kalif anstelle der Kalifin zu werden. Doch die Tage der politischen Karrieren von Theresa May und von Jeremy Corbyn sind gezählt, beide sind Auslaufmodelle einer vergangenen Epoche, deren verkorkstes Demokratieverständnis ausgedient hat.

Bekommt Großbritannien die Kurve? Schaffen es die Briten, diesem unsäglichen Blödsinn des „Brexit“ noch einen Riegel vorzuschieben? Ein „Final-Say-Referendum“ durchzusetzen? Momentan sieht es eher danach aus, als würden die Briten wie Lemminge ihrer Regierungschefin in Richtung der Klippen von Dover hinterher dackeln. Doch selbst der Weg zur Klippe ist bei Theresa May nicht gerade, sondern verläuft im Zick-Zack-Kurs – und die Briten traben schicksalsergeben hinterher. Jeremy Corbyn, seines Zeichens Oppositionsführer, ist überraschenderweise ebenfalls ein Freund des „Brexit“ und war in mehreren TV-Interviews nicht in der Lage zu erklären warum. Aber ob er es als billige Kopie einer durchgeknallten Premierministerin schafft, die britischen Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren, ist mehr als fraglich. Warum sollten die Briten auch einen Wirrkopf durch einen anderen ersetzen?

Doch die Zeit tickt. In einem internen EU-Papier konnte man am Wochenende lesen, dass die maximale Verlängerung der „Brexit-Frist“ der 1. Juli ist, denn am 2. Juli tritt das neu gewählte EU-Parlament zusammen und bis dahin muss die Kuh vom Eis sein, so oder so. Doch alleine die Frage, ob die Briten nun an einer Europawahl teilnehmen sollen, müssen oder dürfen, ist unklar. Und den Europäern platzt langsam der Geduldsfaden.

Theresa May gibt sich immer noch der Illusion hin, dass die EU ihr entgegen kommen müsste. Warum denn? Diejenigen, die sich im „Club Europa“ nicht mehr wohl fühlen, sind doch die Mitglieder der britischen Regierung, unterstützt von einer Minderheit der Briten, die jetzt, wo die Lügen der „Brexit“-Befürworter entlarvt sind, trotzdem noch für den „Brexit“ sind, ohne genau erklären zu können warum. Die Europäer haben nie gesagt, dass sie die Briten gerne loswürden. Theresa May will gehen, da ist es keinesfalls so, dass die Europäische Union in der Verpflichtung steht, ausgerechnet Theresa May Geschenke zu machen und ihren Job auf der Insel zu retten.

Heute wird also wieder über dieses und jenes im britischen Parlament abgestimmt und was immer dort beschlossen wird, dürfte bereits am nächsten Tag beim EU-Gipfel wieder einkassiert werden. Der „Brexit“ ist die Bankrotterklärung einer abgehalfterten Politiker-Generation, derjenigen Generation, die Europa in einen willigen Erfüllungsgehilfen der Finanzmärkte gemacht hat. Theresa May, Angela Merkel, Jean-Claude Juncker – das ist die Politik von gestern, die unsere Probleme von heute erzeugt hat.

Was Europa in dieser Woche braucht, ist nicht etwa ein „Brexit“, sondern ein „Mayxit“. Das würde Europa wieder in die richtige Spur bringen. Doch damit ist leider nicht zu rechnen. Theresa May ist wild entschlossen, Großbritannien nachhaltig zu ruinieren und außer den Briten selbst wird sie niemand dabei stoppen können. Doch die Briten werden nicht im letzten Moment reagieren, sondern erst einmal abwarten und eine Tasse Tee trinken. Und danach ist es zu spät.

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