Meeresrauschen und Tastengewitter – Konzert des OPS

Am Donnerstag und Freitag spielt das Straßburger Philharmonische Orchester Debussy, Prokofjew und eine Welturaufführung des zeitgenössischen Komponisten Bruno Mantovani. Mehr an musikalischer Bandbreite geht kaum.

Die Kontrabässe sorgen für die Tiefenwirkung, während die beiden Harfen das fließende Spiel der Wellen im oberen Bereich antreiben, wenn die Straßburger Philharmoniker zu Debussys Meeres-Symphonie aufspielen. Foto: © Michael Magercord

(Michael Magercord) – Musik ist Zeitkunst: Werke, die mit der Zeit vergehen; ein Halten ohne Festhalten; die Berührung mit der Bewegung des Ewigen – ja, klingt das nicht nach mehr… oh, welch Lapsus: nach „Meer“ natürlich, nach diesem ewigen Spiel von Wind und Wellen nämlich, das sich nicht festhalten lässt und doch immer gleich bleibt und unserer Seele gar einen Halt bietet?

Dabei war es ein Bild, auf dem eine große Meereswelle festgehalten ist, das den Komponisten zu seinem symphonischen Zyklus „La Mer“ inspirierte. Claude Debussy diente der berühmte Farbholzschnitt des japanischen Künstlers Katsushika Hokusai, der ja auch wie so viele Maler seiner Zeit eine neue Darstellungsform der Welt eröffnete, als Auslöser für ein genaues Betrachten und Zuhören der Wellen. 1905 setzte der Komponist die letzten Noten der drei musikalischen Skizzen. Und zwar in Eastbourne in England, dem stilvollen Seebad an der Küste des Ärmelkanals. Diese Werke mit den Titeln „Morgengrauen bis Mittag auf dem Meer“, „Das Spiel der Wellen“ und „Dialog zwischen Wind und Meer“ gelten heute als ein Muster- und Meisterwerk des musikalischen Impressionismus und damit des klanglichen Nachempfindens der Empfindung eines unmittelbaren Eindrucks.

Doch wie soll man diese Musik fassen? Sind es bildliche Klänge oder eine tonliche Aufzeichnung der ewigen Bewegung? Die Antwort mag jeder Hörer für sich geben, eine Gelegenheit dazu bietet sich am Donnerstag und Freitag in Straßburg, wenn das OPS diesen Klassiker der modernen Musik aufführen wird. Debussys Meereszyklus ist vielleicht eines der wenigen Musikstücke, dessen Vorbild seines Ausdrucks sich für den Hörer unmittelbar vermittelt, auch ohne zuvor zu wissen, welcher sinnliche Eindruck seiner Entstehung Pate stand: „La Mer“ riecht förmlich nach mehr…

Zuvor wird ein weiterer großer Meilenstein der Musikgeschichte zu hören sein: das dritte Klavierkonzert von Sergej Prokofjew. Der russische Komponist ist natürlich ein ebenso empfindsamer Künstler wie sein französischer Vorgänger, allerdings war er aus einem etwas anderen Holz geschnitzt. Selbst ein großer Tastenvirtuose, verlangen seine Kompositionen von den Musikern einiges ab – so auch sein drittes Klavierkonzert aus dem Jahr 1921. Es entstand in einer weniger glücklichen Lebensphase des noch jungen Mannes, den es nach der Oktoberrevolution in die USA zog, der dort aber mit seinen doch so manches Mal ziemlich komplexen Kreationen kein Bein auf den Boden bekam. Ob es dieser Erfahrung geschuldet war, dass dieses Konzert nun zu seinem am einfachsten zu konsumierenden werden sollte? Nicht mehr die schroffen Dissonanzen stellten den Ausdruck in den Mittelpunkt, sondern etliche musikalische Ideen erleichtern die Hörbarkeit. Nichtsdestotrotz ist das eigens vom Komponisten in Chicago uraufgeführte Werk eine echte Herausforderung für den Solisten. Dieser Aufgabe wird sich in Straßburg der russische Pianist Alexej Wolodin stellen.

Eine Aufgabe ganz eigener Art hat sich der französische Komponist Bruno Mantovani gestellt: Er will – so der Text in der Konzertankündigung des OPS – „die Ernsthaftigkeit, die in den Tiefen der Musik widerhallt, hörbar machen“. Memoria heißt sein neues Stück, das an vier armenische Studenten erinnern soll, die im Krieg um Bergkarabach 2020 getötet worden sind – Musik, die die Empfindungen über das Leiden und Drama einer gewaltgeprägten Geschichte weitergeben will. Ob sie ihre tiefe moralische Botschaft auch ihren Hörern vermitteln kann? Die Uraufführung in Straßburg wird sich daran versuchen, und einmal mehr darf jeder Hörer an sich selbst erfahren, ob der Versuch schließlich gelungen ist.

Konzert der Straßburger Philharmonie OPS

Buno Mantovani – Memoria, Welturaufführung
Sergej Prokofjew – Klavierkonzert Nr. 3 in C-Dur
Claude Debussy – Das Meer

Dirgent: Aziz Shokhakimov
Klavier: Alexej Wolodin

Palais de la Musique et des Congrès
DO 20. und FR 21. April, 20 Uhr

Konferenz vor dem Konzert (auf Französisch)
Komponist Mantovani über seine bevorstehende Welturaufführung
Jeweils 19 Uhr im Marie-Jaëll-Saal im PMC, Eintritt frei

Folgendes Konzert der OPS:
Šenk, Brahms, Saint-Saens
Solisten: Isabelle Faust, Violine, Jean-Guihen Quezras, Cello
24. und 25. Mai

Die Kontrabässe sorgen für die Tiefenwirkung, während die beiden Harfen das fließende Spiel der Wellen im oberen Bereich antreiben, wenn die Straßburger Philharmoniker zu Debussys Meeres-Symphonie aufspielen. Foto: © Michael Magercord

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