Mehr Bürgerbeteiligung im Ländle und zwar schnell!

Es gibt kaum ein politisches Projekt, das langsamer vorankommt als die „Bürgerbeteiligung“. Ein Thema, bei dem vielen Politikern immer noch der Angstschweiß ausbricht.

Nur, falls Sie nicht wussten, dass Gisela Erler (links) Beauftragte für Bürgerbeteiligung ist. Ist sie nämlich. Foto: GRÜNE Baden-Württemberg

(KL) – Immerhin, das Land Baden-Württemberg hat sich mit Gisela Erler eine Beauftragte für die Bürgerbeteiligung gegeben. Nach mehr als zwei Jahren im Amt verzichten wir wohlwollend auf eine Umfrage, wer im Ländle Frau Erler überhaupt kennt. Die meisten Menschen im Land haben bisher weder etwas von Frau Erler, noch von ihrem Amt gehört. Warum ist das denn nur so schwer?

Die von den aktuellen Amtsinhabern (und wohl nur noch von denen) so hoch gelobte repräsentative Demokratie hat sich überholt. Diejenigen, die am lautesten schreien, dass sie über ein Mandat des Volkes verfügen, werden in absoluten Zahlen zumeist nur noch von 15 bis maximal 20 % der Wahlberechtigten gewählt. Dabei haben diese „Volksvertreter“ Glück, dass ihnen nicht permanent vorgehalten wird, dass sie im Amt sind, obwohl 80 bis 85 % der Wahlberechtigten sie gar nicht haben wollten. Es ist an der Zeit, endlich Schluss mit Netzwerken, Zirkeln, Kreisen zu machen und sich ernsthaft Gedanken über unsere politische Organisationsform für das 21. Jahrhundert zu machen. Wenn diese Arbeit nicht „von oben“ erbracht wird, dann wird sie eben, wie das schon in der ganzen Menschheitsgeschichte so war, eben eines Tages von der Straße geleistet werden.

Wir leben im Internet-Zeitalter. Das bedeutet nicht nur, dass wir alle abgehört werden wie Schwerverbrecher, sondern es bedeutet auch, dass heute jeder und jede alles erfährt. Das, was die Menschen heute erfahren, löst in der Regel nur verständnisloses Kopfschütteln aus. Nur aktiv einbezogene Bürgerinnen und Bürger können dafür sorgen, dass unsere Verwaltungen auch das tun, was die Menschen wollen. Und die sind, zumindest bis sich das ändert, der alleinige Machthaber in modernen Demokratien. Nur – sie haben keine Macht. Wir wählen Menschen, die, sobald sie gewählt sind, das Gegenteil dessen tun, wofür die gewählt wurden.

Nehmen wir als Beispiel den Eurodistrikt Straßburg-Ortenau. Für viele Bürgerprojekte ist kein Geld da (abgesehen von verwaltungstechnisch schwierigen Prozeduren, für die der Eurodistrikt nichts kann, die ihm aber von den Trägerverwaltungen diktiert werden), aber der Rat hat kein Problem damit, 100.000 € aus dem ohnehin schon knappen Budget für Bürgerprojekte für die Beschilderung der neuen Tram springen zu lassen. Für ein öffentliches Projekt mit einem Gesamtvolumen von ca. 80 Millionen Euro, in dem man sicher irgendwo noch 100.000 € für die Schilder gefunden hätte. Wobei man auch anmerken darf, dass wir alle zusammen ohnehin auch die 80 Millionen € stemmen werden.

Hier braucht es Innovationen. Und Innovationen, so man sie denn will, können auch bewerkstelligt werden. Alles, was es dafür braucht, ist der politische Wille zur Umsetzung. Während sich andere internationale Städte in Organisationen wie „Cities of participation“ zusammentun und gemeinsam über die Rolle von Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft nachdenken, hält man sich im „europäischen Laboratorium“ vornehm zurück. Dabei wäre doch jetzt, angesichts der bevorstehenden Gebietsreform in Frankreich der goldene Moment, um ein paar Dinge auf den Prüfstand zu stellen! Aber – Reformen sind offensichtlich nur dann gut, wenn sie nur die anderen betreffen.

Aber zurück zu Frau Erler. Es würde mehr Sinn machen, wenn man MIT den Menschen statt ÜBER die Menschen sprechen würde. Warum gibt es seit zwei Jahren keine gut kommunizierten lokalen Arbeitsgruppen, die damit beauftragt sind, neue Wege der Bürgerbeteiligung zu untersuchen? Auf politischer, finanzielle und inhaltlicher Ebene. Mit einer Arbeitsgruppe „Technologie“, in der Talente und keine Abgeordneten über Dinge wie „Liquid Democracy“ nachdenken? Warum ist die Einbindung der Menschen in den politischen Prozess (und nicht nur wegen S21) so völlig unmöglich? Und wenn es so unmöglich ist, warum sprechen dann Politik und Verwaltung immer darüber, ohne etwas Konkretes zu machen?

Angesichts der Tatsache, dass selbst Jahrzehnte lange Diskurse und Prozesse zu keinen greifbaren Ergebnissen führen, sind zumindest massive Zweifel berechtigt, ob eine echte Bürgerbeteiligung überhaupt gewünscht wird. Danach sieht es nämlich wirklich nicht aus.

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