Meinung: Aus der Traum vom Elsass?

Karl-Friedrich Bopp analysiert die Ergebnisse der Wahlen vom letzten Sonntag – und macht sich stark für mehr Vernunft in der Diskussion rund ums Elsass.

Brigitte Klinkert konnte sich bei den Regionalwahlen am Sonntag nicht durchsetzen. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(Karl-Friedrich Bopp) – Die Ergebnisse der Regional- und Departmentswahlen vom Sonntag sind nun bekannt. Die Zeit der Wahlanalysen hat begonnen. Ein Ergebnis ist klar, der Traum von einer eigenständigen Region Elsass, die mit den entsprechenden Kompetenzen einen solchen Namen verdient hätte, ist ausgeträumt. Brigitte Klinkert, die diesen Anspruch glaubwürdig vertrat, kam im Elsass auf magere 20,6 Prozent, in der gesamten Region auf 12,2 %.

Was war das Gejammer groß! Als 2014 Präsident Hollande auf dem Bierdeckel die neuen Regionen aufgezeichnet hatte, war plötzlich das Elsass verschwunden. Verschmolzen mit Lothringen und der Champagne-Ardenne, entstand über Nacht eine Region grösser als Belgien. Nein, das durfte nicht sein. Die Proteste im Elsass gipfelten in der großen Demonstration in Straßburg vom 11. Oktober 2014. Einer der Hauptredner gegen das fürchterliche Vorhaben war der damalige Bürgermeister von Mulhouse, ein gewisser Jean Rottner.

Was einem die Macht aber doch die Sinne verdrehen kann! Seit 20. Oktober 2017 selbst Präsident der neuen Region, die inzwischen auf den sinnvollen Namen GROSSER OSTEN hört, fand er seitdem nur noch positive Aspekte in der Fusion der ehemaligen drei Regionen. Aber die organisierten Umfragen unter Elsässern wollten ihm einfach nicht Recht geben. Zwischen 60 und 80 % der Befragten wollten in verschiedenen Umfragen seit 2015 „ihr“ Elsass zurück.

Solch starkes Verlangen drang sogar bis zu den Mächtigen in Paris durch. Im Abkommen vom 29. Oktober 2018 wurde das neue Gebilde „CEA“ gegründet, die „Collectivité européenne d’Alsace“, was so viel heißt wie „Europäische Gebietskörperschaft Elsass“. Seit 1. Januar 2021 in die Praxis umgesetzt, ist die neue Institution jedoch nicht mehr als eine Fusion von den zwei früheren elsässischen Departements.

Die Gelegenheit am Sonntag war also groß, bei den Regionalwahlen klarzumachen, dass man die Region GROSSER OSTEN weiterhin nicht will und insbesondere die CEA für eine Mogelpackung hält. Dieser Wunsch trug einen Namen und er hieß Brigitte Klinkert. Niemand konnte besser als sie die Sehnsucht nach dem Elsass repräsentieren. Bis Ende letzten Jahres war sie erfolgreiche Präsidentin des Departments Haut-Rhin (Oberrhein), hatte als solche dank ihrer Zweisprachigkeit im ersten Lockdown erfolgreiche Kooperationen mit den Nachbarländern erarbeitet, die vielen Elsässern durch die Verlegung in deutsche und schweizerische Krankenhäuser das Leben gerettet hat. Seit Herbst in die Regierung von Macron gerufen, ist sie für Eingliederung insbesondere von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt verantwortlich.

Mit ihrem Namen konnte glaubwürdig die Hoffnung verbunden werden, dass die neue Gebietskörperschaft wirkliche Kompetenzen bekommen würde und erfolgreich der Weg eingeschlagen werden würde, wieder eine Region zum Beispiel nach dem Vorbild von Korsika bilden zu können. Mit solchem Ansinnen war natürlich keine Wahl in Lothringen und Champagne-Ardenne zu gewinnen, denn diese Regionen profitieren massiv von der Wirtschaftskraft des Elsass.

Also lagen alle Hoffnungen auf dem Elsass. Mit mageren 20,6 % ist ihr Abschneiden allerdings eine reine Enttäuschung. Der Pirouettenkünstler Jean Rottner siegte nicht nur haushoch in Lothringen und Champagne-Ardenne, sondern auch im Elsass gewann er mit 37,29 Prozent mit deutlichem Abstand. Die Elsässer haben eine einmalige Chance vertan. Außer ihrer Folklore bleibt ihnen nun nichts mehr. Jetzt aber Schluss mit dem Gejammer!

1 Kommentar zu Meinung: Aus der Traum vom Elsass?

  1. Die Idee der Blauen Banane wird im Netz oder bei Wikipedia nur selten kritisch hinterfragt. Kritik entz ndet sich nur an der Nichteinbeziehung der Megapolen Paris und Berlin ins bestehende Gedankenmodell. Der unrealistische, menschenfeindliche Traum vom gro en, gl nzenden, unbegrenzten Dauerwachstum bestimmt immer noch das Denken der Planenden. Der Traum von der zentralen europ ischen Arbeits- und Wohn-Fabrik passt gut ins zerst rerische Zeitalter des Anthropoz n.

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