Militäraktion vs. humanitäre Operation

Die Libyen-Konferenz von Berlin hat nichts gebracht. Und plötzlich will die EU militärische Operationen im Mittelmeer vor Libyen durchführen, verzichtet dabei auf humanitäre Rettungsaktionen.

Auch für die EU wird Libyen mehr und mehr zur militärischen Spielwiese. Ein Trauerspiel. Foto: ScS EJ

(KL) – Noch am 20. Januar, am Ende der Libyen-Konferenz in Berlin, hatte Angela Merkel angemahnt, keine militärische Lösung für den Libyen-Konflikt ins Auge zu fassen. Nicht einmal einen Monat später klingt das bereits ganz anders. Nachdem praktisch alle Beschlüsse der Berliner Konferenz vor Ort ad absurdum geführt werden, will die EU jetzt militärisch vorgehen. So, wie es Außenminister Heiko Maas stolz verkündete – „militärisch und nicht etwa mit humanitären Operationen“. Es scheint, als wäre die EU darauf erpicht, den Libyen-Konflikt nicht etwa zu befrieden, sondern endlich selbst als Kriegspartei aufzutreten. Merkt eigentlich niemand, dass Europa gerade dabei ist, am Mittelmeer seine edelsten Prinzipen über Bord zu werfen?

Einer der Knackpunkte ist das in Berlin beschlossene Waffenembargo. Dieses, da war man sich bei der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende einig, ist „ein Witz“. Vorsichtige Schätzungen besagen, dass dieses „Embargo“ in nur einem Monat rund 150 verletzt wurde und es kommen weiterhin jede Menge Waffen ins Land, „über das Wasser, aus der Luft, auf dem Landweg“. In den westlichen Medien steht, dass es Russland und die Türkei sind, die den Waffennachschub aufrecht erhalten; in den russischen und türkischen Medien steht, dass die westlichen Länder ungebremst weiter Waffen liefern. Recht haben vermutlich beide. Und dann darf man auch die Frage stellen, wer eigentlich diese Waffen produziert und für deren Export nach Libyen sorgt.

Und was will die EU nun tun? Sie will wieder Kriegsschiffe ins Mittelmeer entsenden, die dort patrouillieren und gegebenenfalls verdächtige Schiffe aufbringen sollen. Dabei sollen sie explizit keine Flüchtlinge retten, da Österreich befürchtete, dass die Präsenz von Kriegsschiffen, die Flüchtlinge an Bord nehmen, eine „Sogwirkung“ hätte. Die Realitätsfremde in der Alpenrepublik ist besorgniserregend, denn die Vorstellung, dass Flüchtlinge ihr Leben auf der Flucht riskieren, weil die EU durch das Retten von Menschenleben eine „Sogwirkung“ entfalten würde, zeugt davon, dass man in Wien immer noch nicht verstanden hat, was eigentlich weltweit rund 70 Millionen Menschen in die Flucht treibt. Die Gründe hierfür ist sicher keine „Sogwirkung“ aus Österreich. Doch in Europa im Jahr 2020 ist Solidarität nur noch dann auf der Tagesordnung, wenn sie nichts kostet und keinerlei eigene Anstrengungen erfordert.

Wenn das die neue Ausrichtung der EU ist, dann versteht man, warum in verschiedenen Ländern über einen Austritt nachgedacht wird. Wieso schafft es die EU nicht, sich soziale, solidarische und humanistische Ziele zu setzen? Wann immer man von „europäischer Einigkeit“ spricht, geht es um Rüstung, Militär, Auslandseinsätze.

Der Versuch, mit der Libyen-Konferenz einen Ansatz zur Lösung des Libyen-Konflikts zu finden, war sicherlich ehrenwert, nur stimmt das Ergebnis nicht. Wie bei allen großen Konferenzen und Gipfeln in letzter Zeit werden riesige Kosten verursacht, ohne dass es zu Ergebnissen kommt. Die Abschlusserklärungen, die immer als Erfolgsmeldungen verkauft werden, sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt werden. Klimakonferenzen, Gx-Gipfel, Friedenskonferenzen – die angeblichen Ergebnisse werden zumeist bereits nach wenigen Stunden wieder einkassiert.

Heiko Maas ist also jetzt begeistert, dass die EU wieder Kriegsschiffe ins Mittelmeer schickt und dass diese die Anweisung haben, möglichst keine Flüchtlinge an Bord zu nehmen. Gleichzeitig kooperiert man in Afrika mit denjenigen Regierungen, die ihre Völker schinden und damit für die Fluchtbewegungen sorgen. Wir bewegen uns ins Teufelskreisen, bei denen es nur noch um Rüstungsausgaben, Militäroperationen und Waffenexporte geht – und gleichzeitig ist die EU nicht in der Lage, alleine nur für die in Italien und Griechenland einen fairen Verteilungsschlüssel zu finden. Wir brauchen ein radikales Umdenken und eine neue Ausrichtung der EU – aber ob dies mit dem aktuellen Personal möglich ist, erscheint mehr als fraglich.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste