Mit Touristenvisa für Russen während des Ukrainekriegs muss Schluss sein

Die russische Armee hat im Februar die Ukraine überfallen. Seitdem gerät die Welt aus den Fugen. Müssen da russische Touristen durch Europa reisen?

„Europa zu besuchen ist ein Privileg, kein Menschenrecht“ (Kaja Kalas, estnische Regierungschefin). Foto: Kaihsu Tai / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(Karl-Friedrich Bopp) – Russische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen sonnen sich an Europas Stränden, während sie gleichzeitig stolz auf ihren Handys überprüfen, wieviel Morde, Vergewaltigungen und Zerstörungen ihre Söhne an diesem Tage in der Ukraine verübt haben. Soll das so weitergehen oder sollte man die Regeln etwas spezifischer gestalten? Und jawohl. Selbst in dieser Frage ist Europa uneins.

Ende August kommen die europäischen Außenminister in Prag zusammen. Auf der Tagesordnung steht der Punkt, ob russische Touristen weiterhin ungehindert in den Schengenraum einreisen können oder aber ob diese Möglichkeit auf das absolute Minimum reduziert werden soll. Das eigentlich Erschreckende an dieser Frage ist, dass Deutschland nach der Helm- und Deckenblamage wieder mal eher an der Seite Russlands steht und die gegenwärtigen liberalen Regeln am liebsten beibehalten möchte. Ein neues Kommunikationsdesaster und ein neuer weltweiter Imageschaden drohen.

Bundeskanzler Olaf Scholz gab die Richtung vor. „Das ist Putins Krieg“ und habe daher mit den Russen und Russinnen nichts zu tun. Von einem Einreisestopp würde insbesondere die russische Zivilbevölkerung getroffen, die mit dem Krieg nichts zu tun habe. Wirklich? Glaubwürdigen Umfragen zufolge stehen weiterhin um die 80% der Bevölkerung hinter Präsident Putin. Also vielleicht doch eher „Russlands Krieg?“.

Die Folgen des Krieges sind schon heute für die Ukraine ein menschliches und wirtschaftliches Desaster. Aber auch der Rest Europas hat ja heute nur noch ein Thema – „Wie kommen wir über den nächsten Winter?“ Sozialpolitisch, energiepolitisch, wirtschaftspolitisch. Eine soziale und wirtschaftliche Krise von größtem Ausmaß steht uns ins Haus und wir sollen zuschauen, wie die russischen Bürger und Bürgerinnen dabei genüsslich ihr Eis in unseren Cafés genießen?

Die estnische Regierungschefin Kaja Kalas brachte die Debatte auf den Punkt. „Europa zu besuchen ist ein Privileg, kein Menschenrecht“. Wie gut, dass die Esten nach 1990 schnell gehandelt haben und heute Mitglied sowohl der Europäischen Union, als auch der NATO sind. Denn die Antwort vom Putin-Vertrauten, dem ehemaligen Präsidenten und Regierungschef Dimitri Medwedew kam prompt. „Dass ihr frei herumlaufen dürft, ist nicht euer Verdienst, sondern unser Versäumnis“, twitterte er verbittert.

Klar ist, dass die russischen Bürger und Bürgerinnen, die sich in der heutigen Zeit erlauben können, Urlaube in Euro, Dollar oder anderen westlichen Währungen zu bezahlen, zu ihrem Wohlstand in den mehr als 20 Jahren der Putin-Herrschaft gekommen sind. Sie sind daher mit Sicherheit Putin-Anhänger, auch wenn sie bisher von den bereits geltenden personenbezogenen Sanktionen verschont geblieben sind.

Das Argument von Kanzler Scholz, dass man es nicht zu kompliziert machen sollte für russische Menschen, die Freiheit suchen bzw. der Diktatur entkommen wollen, ist an Zynismus kaum zu überbieten. Schließlich spricht niemand davon, das Asylrecht für Russen und Russinnen auszusetzen. Die Devise muss also lauten „Keine Schengen-Touristenvisa mehr für Russen und Russinnen, solange ihre Landsleute in der Ukraine morden und töten.“

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste