Mobilität in Deutschland…
… wird zum Lotteriespiel. Die Verkehrsmittel, die uns als umweltfreundlich ans Herz gelegt werden, funktionieren nicht richtig. Bleibt am Ende nur das Auto, will man wirklich ankommen.

(KL) – Es fährt ein Zug nach nirgendwo, sang einst Christian Anders und das könnte heute wieder der Slogan der Deutschen Bahn sein. Denn wie das Staatsunternehmen bekannt gab, waren im Monat Juni 2024 (als auch die EM 2024 in Deutschland stattfand und viele Fans Probleme hatten, mit der Bahn zu den Spielen zu kommen) sagenhafte 47 % aller Züge unpünktlich. Als „unpünktlich“ erfasst gelten Züge, die mehr als 15 Minuten Verspätung haben. Rechnet man jetzt also noch die Züge mit ein, die zwischen 1 und 15 Minuten Verspätung hatten, dann ist nicht einmal mehr die Hälfte der Züge in Deutschland pünktlich. Wer auf seiner Fahrt umsteigen muss, darf sich bereits im Vorfeld auf ein Reiseabenteuer einstellen.
Doch die Deutsche Bahn, die im ersten Halbjahr 2024 eine knappe Milliarde € Verlust eingefahren hat und mit einem riesigen Investitionsstau in eine marode Infrastruktur zu kämpfen hat, ist nicht das einzige Problemkind in der deutschen Mobilität. Denn wer als Alternative zum Bahnfahren das Fliegen wählt, wird in diesen Tagen häufig von „Klimaklebern“ (oder Software-Abstürzen) oder Streiks ausgebremst. War es vorgestern der Flughafen Köln/Bonn, war es gestern der Flughafen Frankfurt. Stundenlange Verzögerungen, Flugausfälle, Ärger beim Umbuchen – zu Beginn der Urlaubszeit sind diese Aktionen mehr als ärgerlich und treffen zumeist die Falschen. Denn wer in Urlaub fliegen möchte, ist in der Regel nicht persönlich dafür verantwortlich, dass unsere Wirtschaft immer noch stark auf die Nutzung fossiler Energieträger ausgerichtet ist. Also ist auch Fliegen keine sichere Bank, wenn man wie geplant am Zielort ankommen will.
Bleibt also nur das Auto und das ist eigentlich das Verkehrsmittel, dessen Nutzung man wegen des hohen CO2-Ausstosses reduzieren will. Klar, mit dem Auto bleibt man auch, speziell im Sommer, oft im Stau stehen, doch hat man da wenigstens die Möglichkeit, Umwege zu fahren oder einfach einen Zwischenstopp einzulegen.
Wie es aber mit der Bahn weitergehen soll, steht in den Sternen. Klar ist, dass die geschätzten 70 Milliarden €, die in die Infrastruktur investiert werden müssten, nicht da sind. Schienen, Brücken, Bahnhöfe, Digitalisierung des Schienennetzes – es hapert an allen Ecken und Enden. Dass sich bei dieser üblen Lage der Bahn die Vorstände Ende letzten Jahres riesige Boni ausgezahlt haben, dürfte jeden Bahnreisen nerven, der mitten in der Nacht auf Bahnhöfen wie Hamm/Westfalen strandet und dort übernachten darf.
Die Unzuverlässigkeit des Bahn- und Flugverkehrs wird wohl zu einer Renaissance des Autos führen, was genau das Gegenteil dessen ist, was man erreichen will. Doch wenn die Hälfte der Züge unpünktlich ist und Bahnreisen zum Glücksspiel werden, dann ist es kein Wunder, dass die Menschen dann doch lieber aufs Auto zurückgreifen. Oder auf ewig lange Busfahrten, die zwar nervig sind, aber eben auch den Vorteil bieten, dass sie irgendwann ankommen.
Und so verrotten die Infrastrukturen weiter, eine Situation, die sich nicht von selbst verbessern wird und Mobilität in Deutschland wird zu einem wachsenden Problem. Solange das nicht gelöst ist, wäre es korrekt, würden die ohnehin sehr gut bezahlten Bahnvorstände ihre Boni ausschlagen und die Gewerkschaften ihre Lohn- und Gehaltsforderungen und Prämien etwas nach unten korrigieren. Es gibt nur wenige Berufsbilder, in denen eine Erbringung der Dienstleistung zu 53 % durchgeht – Prämien sollte es erst bei einer Pünktlichkeit von 92 % geben…
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