Moderne Gedächtnisarbeit

Das Deutsche Technikmuseum in Berlin zeigt auf beeindruckende Weise, dass Gedächtnisarbeit auch sehr modern und zeitgemäß sein kann.

Von diesem Hologramm von Anita Lasker-Wallfisch werden auch künftige Generationen aus erster Hand erfahren, was in Auschwitz wirklich passierte. Foto: ScS EJ

(KL) – Wir leben in einer Zeit, in der es kaum noch Überlebende des Holocaust gibt. Gleichzeitig erleben wir einen beunruhigenden Anstieg des Neonazismus, in Deutschland, aber auch anderswo. Daher ist es wichtig, dass die heutigen und kommenden Generationen aus erster Hand hören, was unter den Nazis wirklich passierte – damit die unsäglichen Verbrechen der Nazis nicht eines Tages in Vergessenheit geraten oder schlimmer noch, heroisiert werden. Damit das nicht geschieht, hat das Deutsche Technikmuseum in Berlin eine geniale Idee gehabt und diese prompt umgesetzt.

Das Museum hat eine Hologramm-Figur der Auschwitz-Überlebenden Anita Lasker-Wallfisch erschaffen, die mit einem KI-System künftig Interessierten Frage und Antwort steht. In der Produktion wurden Frau Lasker-Wallfisch 1000 Fragen gestellt, die sie mündlich beantwortete und durch das KI-System können auch Antworten auf weitere Fragen sinnvoll zusammengestellt werden. Einfach genial, denn diese Hologramm-Figur wird auch dann noch Auskunft geben, wenn die heute 94Jährige eines Tages nicht mehr ist. Ihr Gedächtnis und ihr Zeugnis werden zeitlos weiterleben.

Die junge Anita Lasker-Wallfisch verdankt ihr Leben ihrem Talent als Cellistin. Bei der Ankunft an der gefürchteten Rampe in Auschwitz hatte sie das Glück, dass dem Frauenorchester des KZ eine Cellistin fehlte. Diesen Platz konnte sie einnehmen und als sich die Alliierten Auschwitz näherten, wurde sie mit den anderen Gefangenen ins ebenso berüchtigte Bergen-Belsen verschoben, das sie wie durch ein Wunder ebenfalls überlebte. Den Horror, den sie durchleben musste, werden auch künftige Generationen aus erster Hand erfahren, im persönlichen Gespräch mit Anita Lasker-Wallfisch als Hologramm.

Mit diesem Projekt, das gemeinsam mit der „Schoa-Stiftung der University of Southern California (USC)“ und der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ)“ durchgeführt wird, eröffnet das Deutsche Technikmuseum eine   neue, moderne Art der Geschichtsverarbeitung, mit der man auch junge Menschen erreicht, die ansonsten, verständlicherweise, mit den angestaubten Ritualen der aktuellen Gedächtnisarbeit nicht viel anfangen können.

Bis zu den Sommerferien wird diese Hologramm-Präsentation nun durch Schulklassen ausprobiert, gegebenenfalls noch verbessert und steht dann dem Publikum zur Verfügung. Eine bemerkenswerte Initiative, die gerade rechtzeitig kommt, so lange es noch einige wenige Zeitzeugen gibt. Deren Stimme wird nun nicht mehr verstummen und weiterhin Zeugnis ablegen, damit sich ein derartiger Horror nicht wiederholen kann. Hut ab!

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste