Müssen die Franzosen das Weintrinken neu erlernen?

Eine Studie des Magazins „Terre de vins“ kommt zu einem überraschenden Ergebnis – die meisten Franzosen kennen sich mit Wein überhaupt nicht aus.

Ja, die Jugendlichen können gar nicht früh genug Fachwissen in Oenologie erwerben. Vor allem in Neuilly-sur-Seine. Foto: Che-Che / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 2.5

(KL) – Ein schwerer Schlag für die stereotypen Bilder, die man sich im Ausland von Frankreich und den Franzosen macht – nix mit Baskenmütze, Baguette und einer Flasche Wein unter dem Arm! Gerade einmal 3 % der Franzosen sagt von sich selbst, richtige Weinkenner zu sein, während 71 % direkt einräumen, keinen blassen Schimmer vom Getränk der Götter zu haben. Und das in Frankreich!

Es gibt zwar keinen vernünftigen Grund, warum alle Franzosen große Weinexperten sein sollten, aber irgendwie kann man sich das gar nicht vorstellen, dass sich ein Franzose nicht mit Wein auskennen soll. Wein ist in Frankreich so wichtig wie in Deutschland das Bier. Doch Weintrinker sein heißt nicht automatisch, Weinkenner zu sein. Eine Mehrheit der Franzosen hält sich jedenfalls nicht dafür. Wobei die Faustregel gilt: Je höher die Ausbildung und besser bezahlt der Job, desto eher bezeichnen sich die Franzosen selbst als Weinkenner.

Das ist im Grunde logisch, denn wer kann es sich schon leisten, seine Geschmackspapillen auf einen Château Pétrus 1959 zu trainieren? Um zu lernen, die verschiedenen Lagen des Médoc an den Subtilitäten des Geschmacks zu unterscheiden, muss man vermutlich tiefer in die Tasche kommen als für einen zusammengeschütteten Wein im Tetra-Pack aus dem Discounter.

Ein anderer Erklärungsansatz wäre, dass die 43 % der Manager und Freiberufler, die sich als Weinkenner einstufen, ihren beruflichen und sozialen Erfolg mit regelmäßigem Genuss von Wein betäuben. Müssen wir uns ernste Sorgen um diese Berufsgruppen machen? Grassiert der Alkoholismus in den Chefetagen?

Doch schlimmer als das freimütige Eingeständnis dieser 71 % Nichtkenner ist für das französische Selbstverständnis eine andere Zahl. 43 % der Befragten sagten nämlich, dass sie gar nicht wüssten, woran man einen guten Wein überhaupt erkennt. Und das kann man so nicht stehen lassen. Folglich wünschen sich 51 % der Franzosen die Einführung von Grundkursen über Wein und einen maßvollen Konsum. Und zwar für junge Leute. Oha. Grundkurse für junge Leute. Klingt mehr nach Sekundarstufe als nach Volkshochschule. Solche Kurse in der Schule? Das beschwipste Klassenzimmer?

Würde man diese Idee auf das Bierland Deutschland übertragen, dann entspräche der französische Ansatz der Idee, in den deutschen Schulen in der Oberstufe Kurse wie „Stiefelsaufen“ oder „Metertrinken“ einzuführen, damit sich solch drollige Sitten und Gebräuche nicht verlieren. Vielleicht wird ja mal ein Weltkulturerbe draus.

Fazit: Die Studie ist ein ziemliches Sommerlochthema. Die Reichen werden sich weiterhin die teuren Flaschen einpfeifen, die Armen billigen Tafelwein und so lange wir weiterhin den Konsum von Alkohol als kulturell wertvoll an unsere Jugend vermitteln, so lange sollte sich niemand wundern, dass Alkohol ein gesellschaftliches Problem mit hohem Stellenwert darstellt. In Deutschland wie in Frankreich. Na dann – Prost!

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