Mutig oder verzweifelt? Hollande macht einen Rückzieher.

Nachdem sich in Frankreich Parlament und Senat nicht auf die von Hollande gewünschte Verfassungsänderung einigen konnten, zog der Präsident diese kurzerhand zurück.

Inzwischen steht nicht einmal mehr das französische Parlament mehr hinter seinem Präsidenten... Foto: JR / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Das war ein Paukenschlag in Paris. Unter dem Eindruck der Attentate von Paris wollte Präsident François Hollande eine Verfassungsreform durchsetzen, nach der Terrorverdächtigen Franzosen mit doppelter Staatsangehörigkeit die französische Staatsangehörigkeit entzogen werden kann. Doch die französische Verfassung sieht vor, dass die Staatsangehörigkeit nur Menschen entzogen werden kann, die diese im Laufe ihres Lebens erhalten haben – in Frankreich gebürtigen Franzosen ist die Staatsangehörigkeit nicht zu nehmen. Sie gehört zu den Grundrechten.

Als die Pläne auf den Tisch kamen, trat Justizministerin Christina Taubira aus Protest zurück, da sie die Maßnahme für eine populistische Panikreaktion auf die Attentate von Paris hielt, die nicht verfassungskonform ist und vor allem ein verheerendes Signal in Bevölkerungsgruppen aussenden würde, die ohnehin immer mehr stigmatisiert werden. Doch auch der Rücktritt der Justizministerin (die in Frankreich die schöne Amtsbezeichnung der „Siegelverwahrerin“ trägt, „Garde de Sceaux“) konnte Hollande nicht dabei helfen, seine Vorstellungen durchzusetzen. Widerstände gab es nicht nur in der Opposition, sondern auch in seiner eigenen Partei, den Sozialisten.

Was Hollande gestern wie einen Erfolg verkündete, nämlich den Abschied von seinem Plan einer Verfassungsänderung, ist zwar auf der einen Seite ehrlich, denn er hat weder in der Nationalversammlung, also dem Parlament, noch im Senat eine Mehrheit für dieses Vorhaben gefunden und so ist es folgerichtig, dass er sich davon verabschiedet. Gleichzeitig ist dies aber auch ein Zeichen der politischen Verzweiflung – Hollande hat nicht einmal mehr den Rückhalt seiner Parteifreunde in der von den Sozialisten beherrschten Nationalversammlung. Und das ist Gift für seine Ambitionen, sich 2017 als Kandidat für seine eigene Nachfolge aufstellen zu lassen.

Dieser Rückzug ist jetzt ein gefundenes Fressen für die Opposition, allen voran der Möchtegernkandidat Nicolas Sarkozy, der sich beeilte zu erklären, dass Hollande selbst die Konditionen für das Scheitern seines Vorhabens geschaffen habe. „Er verspricht alles und gleich noch das Gegenteil dazu“, kritisierte der von Skandalen gebeutelte Ex-Präsident, was inhaltlich auch relativ dürftig war.

Die nächsten Monate werden für François Hollande sehr schwierig werden. Was er auch anfasst, alles entwickelt sich zum Misserfolg. Angesichts der immer lauter werdenden Forderung seiner Partei nach Vorwahlen, bei denen der Kandidat für die Präsidentschaftswahlen 2017 bestimmt werden soll (für die nach aktuellen Umfragen Hollandes Premierminister Manuel Valls weit vorne läge), braucht Hollande dringend Erfolge. Doch woher sollen diese Erfolge kommen? Arbeitslosigkeit, eine stotternde Konjunktur, nicht greifende Maßnahmen, die Unfähigkeit, den Aufschwung der Rechtsextremen zu stoppen, eine unausgegorene Gebietsreform, eine ebenso unausgegorene Reform des Arbeitsgesetzes – in keinem dieser Themenbereiche wird Hollande bis zum Jahresende Punkte sammeln können.

Und so könnte es gut sein, dass dieser Rückzieher des französischen Präsidenten doch noch „historisch“ werden könnte – es ist gut möglich, dass der Verlust der Unterstützung seiner eigenen Partei etwas Wichtiges einleitet: das Ende der Ära Hollande.

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