Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel

Eine geschwächte Angela Merkel wird versuchen, beim nächsten Europagipfel am Ende dieser Woche eben mal Europa zu retten. Dabei hat sie allerdings weder in Deutschland, noch in Europa gute Karten.

Die beiden werden beim nächsten Gipfel auch wieder mitmischen. Und wieder keine Lösungen finden. Foto: (c) European Union 2016 - Source: EP

(KL) – Nachdem viele deutsche Wählerinnen und Wähler am Sonntag „Mutti“ die Treue gekündigt haben, sieht es auch für Europa ganz düster aus. Der neuerliche Anschlag in der Türkei hat die Frage wieder aufgeworfen, die sich viele schon nach dem letzten Europagipfel gestellt hatten – kann die Türkei ein Partner der EU sein, wenn es um die Flüchtlingsfrage geht? Die Antwort lautet wohl eher „nein“, doch allzu große Sorgen, dass der nächste Gipfel in Brüssel ein konkretes Ergebnis bringen wird, muss sich wohl niemand machen. Denn Einigkeit herrscht in der Europäischen Union schon lange nicht mehr und die von den Landtagswahlen eindeutig geschwächte Angela Merkel wird es am 17. und 18. März in Brüssel ungleich schwerer haben, die anderen Mitgliedsstaaten zu irgendetwas Konstruktivem zu bewegen. Denn die Ohrfeige, die sie am Sonntag bei den Landtagswahlen einstecken musste, schallte bis weit über die Landesgrenzen hinaus.

Auf dem Tisch liegen eine Handvoll konkreter „Erpressungsvorschläge“ der Türkei auf der einen Seite und auf der anderen Seite lediglich der schwammige Wunsch, die EU-Außengrenzen besser zu sichern, wissend, dass dies mehr oder weniger ein frommer Wunsch ist und schon gar nicht das Potential hat, das Schicksal der Hundertausenden Flüchtlinge in Europa zu managen. Was also sollte in Brüssel, wo Angela Merkel noch ein wenig isolierter als schon beim letzten Gipfel sein wird, herauskommen?

Denn auf dem Tisch liegt neben den „Erpressungsvorschlägen“ der Türkei auch die Aussage des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban, dass er gegen jeden europäischen Umverteilungsplan von Flüchtlingen ein Veto einlegen würde. Da nun aber nicht zu befürchten steht, dass die EU sich innerhalb weniger Tage eine neue Geschäftsordnung gibt und da sowohl Ungarn, als auch die Tschechische Republik, die Slowakei und Polen bereits den im September mit Mehrheit getroffenen Beschluss der Umverteilung von 160.000 Flüchtlingen aus Italien und Griechenland nicht umgesetzt haben, ist bereits heute klar, dass es beim nächsten Gipfel in Brüssel wieder kein Ergebnis geben wird. Doch in der Zwischenzeit spielen sich an der griechisch-mazedonischen Grenze humanitäre Dramen ab. Bei denen Europa nur zuschaut.

Die Gewalt, mit der europäische Schreibtischtäter tausende menschlicher Schicksale ruinieren, wird sich wieder gegen Europa wenden. Wer heute meint, dass ihn das Weltgeschehen nichts angeht oder dass man es „verwalten“ kann wie Fischfangquoten, der irrt sich. Durch ihre nicht stattfindende Politik trägt Europa eine Mitverantwortung an Tausenden Einzelschicksalen, die beim kleinen Aylan anfangen, der tot an die türkische Küste gespült wurde und ihre Fortsetzung bei unzähligen im Mittelmeer auf der Flucht Ertrunkenen findet. Dass wir eine Politik führen und tolerieren, die so etwas zur Folge hat, kann man nur mit dem Begriff der „hilflosen Gewalt“ beschreiben. Und da Gewalt bekanntlich Gegengewalt provoziert, sollten wir uns schon einmal warm anziehen – denn genau diese Gewalt wird auch uns wieder treffen.

Dass Angela Merkel, die Einzige, die eine andere, eine humanistische Lösung für die Flüchtlingsfrage anstrebte, jetzt vom deutschen Wahlvolk so abgestraft wurde, ist tragisch. Denn die Rechtsextremen und Ausländerhasser, die gerade so an die Macht gespült werden, wie wir das gerade erleben, haben auch keine Lösung für die aktuellen Probleme. Und wie immer in vergleichbaren historischen Situationen wird so etwas über kurz oder lang zu Krieg, Not und Elend führen. All das wird der kommende Gipfel auch nicht mehr verhindern können – die Geschichte wird sich wie immer wiederholen.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste