Nach den „Panama Papers“, jetzt die „Paradise Papers“

13,4 Millionen Dokumente legen schonungslos dar, wie die Welt im Jahr 2017 funktioniert. Die Reichen stopfen sich die Taschen voll und nutzen dabei die Tricks, die sie selbst erschaffen haben.

Und so funktioniert einer der vielen Steuertricks, der "Double Irish with a Dutch Sandwich", Erläuterung am Ende des Artikels. Foto: Maxxl / Wikimedia Commons / GNU 1.2

(KL) – „Oh, wie schön ist Panama“, textete einst der Kinderbuchautor Janosch. Doch das trifft nicht nur auf Panama zu, sondern auch auf zahlreiche weitere Steueroasen, in denen die Reichen und Superreichen, aber auch die großen Konzerne so geschickt mit ihren Gewinnen jonglieren, dass sie am Ende kaum noch Steuern zahlen müssen. Die „Paradise Papers“, 13,4 Millionen geleakte Dokumente, wurden von 400 Journalisten in über 60 Ländern analysiert und bieten ein umfassendes Bild darüber, mit welchen Konstruktionen die Finanzwelt ein gigantisches Business daraus gemacht hat, den Ländern dieser Welt Steuern vorzuenthalten. Momentan ist es noch zu früh, eine abschließende Beurteilung der „Paradise Papers“ abzugeben, doch dürfte in den Nobelvillen dieser Welt gerade der Angstschweiß ausbrechen. Vieles von dem, was in den „Paradise Papers“ steht, dürfte sogar legal sein oder sich zumindest in legalen Grauzonen bewegen, doch werden die „Paradise Papers“ eine grundlegende und weltweite Debatte darüber auslösen, ob der Kapitalismus, so wie wir ihn kennen, tatsächlich die optimale Organisationsform für moderne Gesellschaften ist.

Wie immer sieht man bei diesem „Leak“ nur die Spitze des Eisbergs, doch diese Spitze ist derartig gigantisch, dass man sich kaum den darunter dümpelnden Eisberg vorstellen mag. Ähnlich wie bei den „Panama Papers“, die aus der Anwaltskanzlei „Mosack Fonseca“ den Weg an die Öffentlichkeit fanden, stammen auch die „Paradise Papers“ aus nur zwei Anwaltskanzleien, „Appleby“ auf den Bermudas und „Asiaciti Trust“ in Singapur. Die Unterlagen aus diesen beiden Kanzleien wurden mit den Unternehmensregistern aus 19 Steueroasen auf der ganzen Welt abgeglichen und Stück für Stück wurden die Konstruktionen sichtbar, mit denen Gelder hin- und hergeschoben werden, mit dem einzigen Ziel, dass auf diese Gelder keine Steuern gezahlt werden. 13,4 Millionen Dokumente aus nur zwei Anwaltskanzleien – da kann man sich vorstellen, wie viele Skandale in den Tausenden weiterer Anwaltskanzleien schlummern, die genau das gleiche Geschäft betreiben wie „Appleby“ und „Asiaciti“.

Dass die Recherchen seriös waren, dafür steht das ICIJ, in dem Journalisten führender Medien organisiert sind – wie der BBC, der New York Times, Le Monde oder der Süddeutschen Zeitung, um nur diese zu nennen.

Langsam sollte es auch dem Letzten klar werden – die Welt wird 2017 von den „Finanzmärkten“ regiert. Diese „Finanzmärkte“, das sind die Strukturen, in denen die Gewinne der Superreichen und Großkonzerne so durch die Welt transferiert werden, dass sie am Ende ohne lästige Steuerabgaben den Aktionären zugutekommen, die ihrerseits die gleichen und ähnliche Strukturen nutzen, um nicht selber diese Gewinne versteuern zu müssen. So etwas sollte man im Hinterkopf haben, wenn die nächsten Tarifrunden mit den Gewerkschaften anstehen und die Unternehmen über die schlechte Konjunktur jammern.

Die „Paradise Papers“ haben aber auch das Potential, für ein politisches Erdbeben zu sorgen, denn in diesen Unterlagen wird die enge und engste Verflechtung zwischen Politik, Wirtschaft und „Finanzmärkten“ deutlich. Die in den „Paradise Papers“ genannten Politiker werden nun einer nach dem anderen am Nasenring durch die Manege geführt und das wird das ohnehin schon marode Vertrauen der Menschen in ihre Führungseliten nur noch weiter erschüttern.

Man wird nicht um die Frage umhin kommen, ob diese Systematik so weitergeführt werden kann. Selten wurde so deutlich, dass die Welt ausschließlich im Interesse des 1 % der Weltbevölkerung organisiert ist, dem 99 % der Reichtümer dieser Welt gehören. Eine ungute Mischung aus Politik, Finanzwelt und Wirtschaft steuert nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Armut, die Konflikte und die Zerstörung der Umwelt im Interesse dieses 1 %.

Wer soll noch Politikern glauben, dass sie diese Steuerschlupflöcher schließen wollen, wenn sie selbst in die Grauzonen-Geschäfte in diesen Steueroasen verstrickt sind? Angesichts der weltweiten Spannungen ist es eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann dieses Pulverfass explodiert. Diese Art des Kapitalismus, der unweigerlich zu einer sozialen und Umwelt-Katastrophe führt, ist einfach nicht mehr zeitgemäß und muss dringend reformiert werden. Nicht im Sinne des „Shareholder Value“, sondern im Sinne des Überlebens dieses Planeten. Der, wenn es so weitergeht, gar nicht so „paradiesisch“ ist, wie die gleichnamigen Papiere es vermuten lassen könnten.

Erläuterung zur Illustration dieses Artikels:

Steuervermeidungssystem Double Irish with a Dutch Sandwhich

1. Werbetreibende bezahlen für Werbung in Deutschland.

2. Das Geld geht zu einer Tochterfirma in Irland, welche die Lizenz vergibt.

3. Die Steuern in Irland betragen 12,5 Prozent. Die irische Tochterfirma zahlt das Geld als Tantiemen an eine weitere Tochterfirma in den Niederlanden, für das es eine Steuervergünstigung gibt.

4. Die niederländische Tochterfirma zahlt das Geld an eine zweite irische Tochterfirma, da es eine inter-europäische Transaktion ist steuerfrei.

Die zweite Tochterfirma in Irland zahlt keine Steuern, da in Irland nur Unternehmen mit Hauptsitz in Irland besteuert werden. Der Hauptsitz der Tochterfirma ist jedoch eine Scheinfirma in einem Steuerparadies wie den Bermudas.

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