Nach den Wahlen ist vor den Wahlen…

Keine Zeit zum Durchatmen – unmittelbar nach den Präsidentschaftswahlen geht in Frankreich der Wahlkampf für die Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni los.

Wenn am 19. Juni auch die Parlamentswahl durch ist, wird Frankreich ein anderes politisches Gesicht haben. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Das „Superwahljahr 2022“ hat es in Frankreich in sich. Nachdem bereits der Präsidentschaftswahlkampf unglaublich niveaulos war, geht es nun mit den Wahlen zur Assemblée Nationale gleich weiter, und diese Wahlen, die am 12. und 19. Juni stattfinden, werden erst Aufschluss darüber geben, wie es künftig in der französischen Politik weitergeht. Im Gegensatz zu den Präsidentschaftswahlen, die im seit 20 Jahren üblichen Format „wählt mich, sonst gibt’s Faschismus“ entschieden wurden, werden die Parlamentswahlen richtig spannend werden.

Die Verlierer der Parlamentswahlen dürften sich überwiegend im Zentrum des politischen Spektrums befinden. Nachdem die beiden Parteien, die Frankreich abwechselnd über 40 Jahre lang regiert hatten, die sozialistische PS und die konservativen „Les Républicains“, bei den Präsidentschaftswahlen mit 1,7 und 4,6 % der Stimmen übel abgewatscht wurden, könnte nun das gleiche Schicksal die Regierungspartei „La République en Marche“ (LREM) von Emmanuel Macron ereilen. Denn trotz eines deutlichen Wahlsiegs Macrons in der Stichwahl um das höchste Staatsamt darf man nicht vergessen, dass 3 von 4 Franzosen im ersten Wahlgang gegen Macron gestimmt hatten und ihn als Person und seine Politik ablehnen. Es könnte gut sein, dass die Kandidatinnen und Kandidaten der LREM bei den Parlamentswahlen die Quittung für die letzten 5 Jahre bekommen, die eigentlich gar nicht ihnen, sondern Emmanuel Macron gilt.

Allerdings wird es wohl doch nicht so kommen, wie viele Parteien noch am Wahlabend der Stichwahl angekündigt hatten. An diesem Abend zeichnete sich die Bildung zweier großer Blöcke ab, eines „linken Blocks“ und eines „nationalistischen Blocks“. Doch Frankreich ist Frankreich und die Unfähigkeit der Parteien, sich gegen einen gemeinsamen politischen Gegner zu organisieren, ist langsam schon typisch für die französische Politiklandschaft.

Doch beschränkt sich diese Unfähigkeit zu koalieren nicht nur auf die französische Linke. Auch die rechtsextremen Kräfte, die sich ja in der Stichwahl um das höchste Staatsamt durch 41,5 % der Stimmen bestätigt sahen, begehen nun den gleichen Fehler wie einst die Sozialisten und die anderen linken Parteien – sie zerstreiten sich im ewigen Konflikt der Egos. So lehnt die rechtsextreme Kandidatin Marine Le Pen mit ihrem „Rassemblement National“ eine gemeinsame Liste mit dem noch weiter rechts stehenden Eric Zemmour ab, die dieser noch am Wahlabend vorgeschlagen hatte.

Der potentielle „linke Block“ könnte sich tatsächlich um den bei der Präsidentschaftswahl nur knapp gescheiterten Jean-Luc Mélenchon konstituieren, die Gespräche laufen bereits. Allerdings gibt es zu einer eventuellen Teilnahme der Sozialisten der PS widersprüchliche Aussagen. Doch ist eine Beteiligung der PS auch gar nicht mehr entscheidend. Parteichef Olivier Faure hat es in fünf Jahren geschafft, aus der Präsidentenpartei, die Mehrheiten im Parlament, im Senat und in damals 21 von 22 Regionen hatte, eine Splittergruppe zu machen. Im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl kam die PS-Kandidatin Anne Hidalgo gerade mal auf 1,7 % der Stimmen. Doch letztlich sind die Mitglieder der PS selbst an ihrem Debakel schuld. Wie die Kaninchen vor er Schlange sitzt die Partei vor ihrem Boss Olivier Faure und schaut gebannt zu, wie der Mann diese Partei in Rekordzeit ruiniert. Auf die Idee ihn abzuwählen kommen die PS-Mitglieder offenbar nicht, weswegen sie wohl weiter zuschauen müssen, ob ihr oberster Boss die Partei auch noch unter die 1 %-Hürde gedrückt bekommt.

So langweilig der Präsidentschaftswahlkampf war, so spannend wird die Parlamentswahl werden, denn alle Optionen sind offen. Der künftige politische Kurs Frankreichs wird sich erst am 19. Juni entscheiden und bis dahin darf man sich auf einen knackigen Wahlkampf einstellen.

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