Nagelprobe für die französische Regierung

Mehrere Gewerkschaften haben für den heutigen Dienstag einen Generalstreik ausgerufen. Dieser wird zwar nicht das Land lahmlegen, doch ist dies der Auftakt zu einem heißen Herbst.

"Für unsere Zukunft, gegen eure Welt" - Frankreichs Jugend mag nicht länger den Pariser Sumpf erdulden. Foto: Jeanne Menjoulet from Paris, France / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Auch heute geht der Streik in den Totalenergies-Depots weiter und weiterhin ist es in Frankreich vielerorts schwierig, das Auto zu betanken. Dieser Streik, der einen Konzern betrifft, der eindeutig zu den „Kriegsgewinnlern“ zählt, wirft grundlegende Fragen auf, wie sich Frankreich morgen aufstellen will. Die sozialen Ungerechtigkeiten werden nicht klaglos hingenommen. Heute ist die entscheidende Frage, wie viele Franzosen sich an diesem heutigen Streik beteiligen werden und wieviel Gewicht die sozialen Proteste zu Beginn dieses heißen Herbsts haben werden.

Den Auftakt machten alle Beteiligten am letzten Wochenende. Der „Marsch gegen die Ungleichheiten“ in Paris erinnerte stark an die seit 2018 andauernden Proteste der „Gelbwesten“. Nach Angaben der Organisatoren zogen 140.000 Menschen durch Paris, nach Angaben der Polizei waren es „nur“ 30.000 und es fiel auf, wie gewalttätig und nervös die Polizei auf die Protestierenden reagierte. Doch war dieser Marsch tatsächlich nur eine Art „Vorspiel“, die Proteste formieren sich und werden von Woche zu Woche lauter werden.

Die Regierung hat jeglichen Kontakt mit der Bevölkerung verloren und agiert weiter ideen- und phantasielos in den Elfenbeintürmen der Pariser Machtapparate. Doch mit dem Einsatz von Polizeitruppen wie der gefürchteten CRS wird man Frankreich nicht befrieden können, im Gegenteil.

Beunruhigend ist die Erkenntnis, dass wir gerade erst ganz am Anfang einer Entwicklung stehen, deren Ende nicht absehbar ist. Die sozialen Spannungen werden zunehmen und irgendwann wird es auch „Paris“ nicht mehr schaffen, der Bevölkerung das hochgradig unmoralische Treiben des Großkapitals schmackhaft zu machen.

Die „Rettung“ für die völlig überforderte französische Regierung dürfte die Pandemie sein. Die neue, heftige „Welle“ wird der Regierung den Vorwand liefern, „sanitäre Maßnahmen“ wie Versammlungs- und Demonstrationsverbote zu verhängen, bevor die Sozialproteste völlig aus dem Ruder laufen.

In Frankreich ist es nicht viel anders als in Deutschland, dem Vereinten Königreich und anderen Ländern – die Politik bekommt einfach keinen Zugriff auf die zahlreichen Krisen, zwischen Krieg, Pandemie, zusammenbrechender Wirtschaft und Klimawandel. Doch könnte es sich als Fehler herausstellen, wenn „Paris“ nun wieder auf die Repressionsschiene setzt wie während der „Gelbwesten“-Proteste. In der aktuellen Situation die Ängste und Sorgen der Menschen nicht ernstzunehmen, über sie hinweg zu regieren, Proteste einfach niederzuknüppeln, das ist eher „Moscow style“ und wird in Paris nicht zum erhofften Ergebnis führen.

Der Auftakt in den „ heißen Herbst“ wurde gemacht, ab jetzt muss man sehr aaufmerksam hinschauen, wie sich die Lage weiter entwickelt. Wer es vermeiden kann, sollte heute keine Termine in Frankreich wahrnehmen – das Land dürfte heute und morgen nur schwer funktionieren.

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