„Nehmt mich, sonst bekommt ihr Extremisten!“
Die Nummer hat 22 Jahre lang funktioniert. Mit dieser Aussage konnte jeder Wahlen in Frankreich gewinnen, doch das ist jetzt vorbei. Nur Emmanuel Macron hat das noch nicht mitbekommen.

(KL) – Gestern hielt Emmanuel Marcon vor der „Präsidenten-Presse“ eine Audienz ab. In den erlauchten Kreis dieser „Präsidenten-Presse“ kommt nicht jeder, da muss man schon nachgewiesen haben, dass das betreffende Medium nicht allzu kritisch mit dem Herrscher über die Franzosen ins Gericht geht. Und während er entrüstet von sich wies, dass er gerade Wahlkampf für die von ihm im Alleingang entschiedenen Neuwahlen am 30. Juni und 7. Juli macht, machte er heftigst Wahlkampf. Nur leider mit der ewig gleichen Platte, die sich in den letzten 22 Jahren abgenutzt hat. „Wenn ihr nicht für mich stimmt, bekommt ihr den Front, äh, das Rassemblement National“.
Bei Chirac hatte das geklappt, bei Sarkozy, Hollande und Macron selbst auch. Das Schreckgespenst des rechtsextremen „Rassemblement National“ reichte aus, dass selbst Mickey Mouse französischer Präsident geworden wäre, hätte die Maus gegen Jean-Marie oder später Marine Le Pen kandidiert. Doch das Schreckgespenst hat ausgedient, heute ist die Mehrheit der Franzosen überzeugt, dass der schlimmste Extremist in Frankreichs Politik Emmanuel Macron selbst ist. 85 % seiner Landsleute haben am letzten Sonntag nicht für die Partei des Präsidenten gestimmt und zur Strafe müssen sie jetzt sofort an die Wahlurnen.
Der Präsident, der bei seiner Presse-Audienz nicht müde wurde zu unterstreichen, was er doch für ein großartiger Demokrat sei, hat die Neuwahlen so schnell ausgeschrieben, dass der politische Wettbewerb keine Chance hat, sich für diesen kurzen Wahlkampf zu organisieren. Genau das wollte Macron ja auch verhindern, denn er sieht seine politische Zukunft nur im ewigen Duell mit den Rechtsextremen. Also setzt er alles daran, die komplette Politiklandschaft Frankreichs zu veröden, damit am Ende nur noch zwei übrigbleiben – die Rechtsextremen und er selbst. Wenn er sich da mal nicht verrechnet…
Interessant ist ebenfalls, dass Macron weiterhin von der „präsidialen Mehrheit“ spricht, die schon alles regeln wird. Wenn man gemeinsam mit den anderen Parteien aus seinem Lager (Horizons, MoDem) nur 14,9 % der Stimmen holt, wenn man keine Mehrheit im Parlament hat, dann ist der Begriff der „präsidialen Mehrheit“ nur noch Wunschdenken – Macron befindet sich heute an der Spitze einer kleinen „präsidialen Minderheit“, für die entweder andere die Kastanien aus dem Feuer holen oder die am 7. Juli in der politischen Bedeutungslosigkeit versinken wird.
Doch das Schicksal seiner Partei und seiner politischen Helfer ist Macron egal. Denn wie immer geht es Macron nur um Macron. Ob er denn darüber nachdenken würde, selbst zurückzutreten, wurde er gefragt. Ach woher denn, er ist doch der Kapitän, der Frankreich steuert. Natürlich in tolle Zeiten. So ungefähr 2030 oder 2050. Gut Ding will eben Weile haben. Er bleibt auf jeden Fall bis 2027 Präsident und da kann ihn nichts erschüttern.
Ansonsten machte Macron noch ein paar Wahlversprechen, die darauf abzielen, dass die Regionen, die massiv gegen ihn gestimmt haben, doch wieder zu ihm umschwenken, wie beispielsweise das Elsass. So stellte er vage in Aussicht, dass man über die Gebietsreform von 2016 nochmal sprechen könne, denn inzwischen habe er verstanden, dass die Menschen in einigen Regionen nicht sonderlich zufrieden mit der Neuorganisation der Regionen sind. Wie beispielsweise das Elsass, das immer noch von einer eigenständigen Region träumt. Doch wer solche Versprechungen glaubt, liegt bei Macron leider falsch. Der Mann würde alles versprechen, was seinem persönlichen Machterhalt helfen kann und nur darum geht es. Weder um Europa, noch um Frankreich, schon gar nicht ums Elsass, sondern nur um Emmanuel Macron.
Er hätte problemlos das Parlament nach den Olympischen Spielen auflösen können, er hätte problemlos dem politischen Frankreich die Zeit geben können, sich auf einen Wahlkampf einzustellen, doch der „große Demokrat“ ist im Grunde seines Herzens ein absolutistischer Monarch, der herrschen und nicht regieren will.
Das Chaos, in der der Präsident sein Land stürzt, ist unglaublich, doch genau daran kann sich Macron ergötzen. Überraschend ist an Macrons Aussagen eigentlich nichts, nur ist ärgerlich, dass er seinen eigenen Rücktritt kategorisch ausschließt. Ärgerlich deshalb, weil die „Macronie“ keinesfalls an irgendwelchen Lösungen mitwirken wird. Doch die Mehrheit der Franzosen hat verstanden, dass die „Macronie“ keine Lösung, sondern das eigentliche Problem des Landes ist. In einer solchen Situation empfindet rund die Hälfte der Franzosen die Aufforderung „Wählt mich, sonst bekommt ihr Extremisten“ als Gelegenheit, die „Macronie“ aus dem politischen Rennen zu nehmen. Dass dies dank Macron wohl nur über das Feld „Rechtsextremismus“ geht, ist bedauerlich.
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