„Nein, der Mensch ist kein vollendetes Wesen“

Zum Tode des Straßburger Philosophen Jean-Luc Nancy, dessen Werke wie „Das nackte Denken“ auch auf Deutsch erschienen sind. Ein Gespräch mit unserem Redakteur Michael Magercord aus dem Jahr 2016.

Ein bedeutender Philosoph ist von uns gegangen - Jean-Luc Nancy. Foto: Georges Seguin (Okki) / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL/MM) – Am 26. Dezember 2016 führte unser Redakteur Michael Magercord ein Gespräch mit dem Straßburger Philosophen Jean-Luc Nancy für den Deutschlandfunk. Für Jean-Luc Nancy, der die Ansicht vertrat, dass „man keinen Gott braucht, wenn man Philosophie betreibt“ und dass „Monotheisten ohnehin Atheisten“ seien, war dieser weihnachtliche Termin genau der richtige Zeitpunkt, um das Leben, die Zukunft und die Beziehung zwischen Mensch und Religion in der Tiefe zu beleuchten. Gläubigen Menschen, die den Menschen als die „Krone der Schöpfung“ betrachten, tat die Aussage „Nein, der Mensch ist kein vollendetes Wesen“ sicherlich weh. Aber das war keineswegs die Absicht des Philosophen, in dessen Gedanken immer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft einflossen.

Die Kernfrage, nämlich „Was ist der Mensch?“, konnte und wollte Jean-Luc Nancy ebenso wenig beantworten wie andere große Philosophen, beispielsweise Immanuel Kant. Das Absolute dieser Frage interessierte Jean-Luc Nancy eigentlich auch gar nicht, denn für ihn war der Mensch vor allem ein denkendes Wesen, dessen Denken (und damit auch sein Handeln) abhängig von der Gedankenwelt seiner jeweiligen Epoche ist. Und dies erkennt man wohl selten so deutlich wie in diesen Zeiten.

So wundert es auch wenig, dass in den Gedanken des Jean-Luc Nancy vor allem hoch aktuelle Themen eine Rolle spielten. Er beschäftigte sich mit Fragen wie der Energie und deren Gewinnung und ihrer Auswirkung auf unsere Welt, Umwelt und Gesellschaft; er forderte, den Sex von der Reproduktion zu trennen, was in dieser Form kaum von Philosophen postuliert wurde und erstaunlich – in seiner Philosophie fehlt systematisch eine Ebene, die viele andere Philosophen in den Vordergrund gestellt haben und stellen: die Moral.

Mit Jean-Luc Nancy ist ein moderner Philosoph gestorben, dessen Gedankenwelt nicht etwa in ein „philosophisches System“ gebettet ist, der nicht versucht hat, den Menschen als „Krone der Schöpfung“ ins Zentrum des Universums zu stellen, sondern dessen Ansätze von erstaunlich konkreter, realitätsbezogener Natur waren.

Lesen Sie unter diesem Link das komplette Gespräch zwischen Jean-Luc Nancy und Michael Magercord – es lohnt sich. Möge dieser große Philosoph in Frieden ruhen.

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