Die 80 Jahre der Befreiung Straßburgs
Die Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag der Befreiung Straßburgs von der Nazi-Besatzung waren sehr würdig. Auch, wenn die Stadt einem Hochsicherheits-Trakt ähnelte.

(KL) – Mindestens zwei Dinge werden sich die Straßburger, die Elsässer und die Mosellaner von der Rede von Präsident Macron in der Straßburger Universität merken. Zum einen das, was Macron zum Thema der „Malgré-Nous“, der zwangsrekrutierten Elsässer und Mosellaner in der deutschen Wehrmacht während des II. Weltkriegs sagte, zum anderen die Ankündigung, dass der Widerstandskämpfer, Historiker und Namensgeber der Universität Straßburg, Marc Bloch, in die Ruhmeshalle Pantheon aufgenommen werden wird, wo die Helden und Heldinnen Frankreichs ihre letzte Ruhestätte finden.
Über der Kathedrale wehte die französische Fahne, vor dem Rathaus gab es Ehrenformationen und Ansprachen, direkt vor dem Monument, das die Soldaten von General Leclerc ehrt, dessen Soldaten im libyschen Koufra geschworen hatten, nicht eher die Waffen niederzulegen, bis „unsere Fahne, unsere schönen Farben, wieder über der Kathedrale von Straßburg wehen“. Am 23. November 1944 lösten General Leclerc und seine Truppen diesen „Schwur von Koufra“ ein und Straßburg war befreit. Zum 80. Jahrestag dieses wichtigen Ereignisses war Präsident Macron angereist, der dann in der Universität eine Rede hielt.
Bemerkenswert war dabei Macrons Aussage, dass „die Tragödie der ‘Malgré-Nous’ benannt, anerkannt und gelehrt werden muss“. Das dunkle Kapitel der Zwangsrekrutierung junger Elsässer und Mosellaner, die nach einem Dekret des Gauleiters Wagner unter Androhung von tödlichen Konsequenzen für ihre Familien in die deutsche Wehrmacht eingezogen worden waren (und viele elsässische Frauen waren in den Reichsarbeitsdienst RAD zwangsweise verschleppt worden), war lange Jahrzehnte ein Tabuthema in Frankreich, wobei lange eine Art belastender Generalverdacht in Frankreich herrschte, dass diese zwangsrekrutierten „Malgré-Nous“ gar nicht so unfreiwillig die deutsche Uniform angezogen hätten. Es dauerte bis 2012, dass mit Nicolas Sarkozy erstmals ein französischer Präsident die „Malgré-Nous“ als Opfer eines Kriegsverbrechens anerkannte, weswegen Macrons Aussage, dass „diese Tragödie benannt, anerkannt und gelehrt werden muss“ Rückenwind für alle ist, die sich mit der Gedächtnisarbeit zu diesem Thema beschäftigen.
Und auch die Ankündigung, dass der große Marc Bloch, Widerstandskämpfer, Historiker und Namensgeber der Universität Straßburg ins Pantheon aufgenommen wird, war Balsam auf der elsässer Seele. Denn im Pantheon werden Frankreichs Helden und Heldinnen unsterblich, eine höhere postume Ehre gibt es nicht in Frankreich.
Ansonsten war schade, dass die Straßburger den 80. Jahrestag der Befreiung ihrer Stadt nur am Fernseher mitfeiern konnte, wo France 3 diesem Ereignis eine lange, sehr gut produzierte Live-Sendung widmete. An den Orten der Festlichkeiten hingegen konnten nur 1500 handverlesene Straßburger dabei sein, so dass die Befreiung von der Besatzung unter einer Art Belagerung stattfand, denn der nicht sonderlich beliebte Präsident muss bei seinen Reisen von ganzen Hundertschaften in weiträumig abgesperrten Bereichen von der Bevölkerung abgeschirmt werden.
Diese Sicherheitsmaßnahmen sind zweifellos unabdingbar, zeigen aber auch, dass momentan einiges in Frankreich nicht stimmt. Auch, dass mehrere Medienvertreter nicht von der Veranstaltung berichten durften, um die Vertreter der „Präsidialpresse“ nicht bei der Arbeit zu stören, stimmt nachdenklich. Es gab Zeiten, da war Frankreich ein Champion der Pressefreiheit, doch diese Zeiten sind leider vorbei. Am Tag der Befreiung, dem 23. November 1944, konnten jedenfalls alle Straßburger die Ankunft der Befreier am Straßenrand bejubeln.
Mit der Befreiung Straßburgs und der Überquerung des Rheins an verschiedenen Stellen begann das letzte Kapitel des II. Weltkriegs, der Weg über das Ruhrgebiet nach Berlin, während von Osten her die Rote Armee auf die deutsche Hauptstadt vorrückte. Dass dies dank der Helden dieser Epoche glückte, rettete Europa vor der Naziherrschaft. Daher wurde dieser Tag am Samstag würdig begangen und es ist wichtig, dass diese Epoche nicht in Vergessenheit gerät. Und man muss hoffen, dass die Welt eines Tages wieder etwas normaler tickt, damit solche Veranstaltungen nicht weitestgehend unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit in einer Hochsicherheitszone stattfinden müssen.
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