Neue Achsen

Belarus nimmt eine immer wichtigere Rolle im Gepoker der Großmächte ein. Zum einen aufgrund der geostrategischen Lage des Landes, zum anderen, weil Lukaschenko als Putins „Blinddarm“ agieren kann.

Lukaschenko in Peking, Lukaschenko in Teheran, Lukaschenko überall - der Mann macht die neue russische Aussenpolitik. Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Noch vor wenigen Jahren hätte es wohl niemanden interessiert, wenn der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko nach Peking und Teheran gereist wäre. Zu unbedeutend war Belarus, das man damals noch zumeist Weißrussland nannte. Doch heute ist das anders. Als „Mietmaul“ von Wladimir Putin arbeitet Lukaschenko intensiv daran, dass eine neue Achse Minsk-Moskau-Teheran-Peking entsteht. Diese wird künftig einen großen Teil der Welt und auch der Weltwirtschaft beherrschen.

Bereits im November 2021 hatten Belarus und Russland eine Art Abkommen unterzeichnet, das Russland die Hoheit in 28 Themenfeldern in Belarus einräumte – faktisch wurde Belarus damit zu einem Satellitenstaat Moskaus. So richtig wahrnehmen wollte das damals im Westen niemand, aber heute kann man solche Entwicklungen nicht länger ignorieren. Denn was Alexander Lukaschenko in Peking und Teheran veranstaltet, ist die russische Außenpolitik – denn Belarus hat überhaupt keine eigene Außenpolitik mehr.

Hier verschieben sich gerade die Machtachsen der Weltpolitik und der Weltwirtschaft in Richtung Osten. Russland und China, mit den BRICS-Staaten in der Hinterhand, stellen eine ungeheurere Manpower und Wirtschaftskraft dar. Dazu kommt die geostrategische Lage von Belarus – von der ukrainisch-belarussisschen Grenze sind es gerade mal 80 km bis nach Kiev. Nicht vergessen darf man dabei, das Belarus faktisch und auch militärisch unter russischem Kommando steht und trotz einer aktiven und subversiven Opposition in Belarus kann man nicht damit rechnen, dass Belarus nicht brav die Befehle des Kreml ausführen wird.

Europa hat im Konzert der Großen keinen Platz mehr, eine Achse Paris-Berlin gibt es nicht mehr, die europäischen Institutionen spielen in der Weltdiplomatie keine Rolle, selbst die Türkei hat gerade in der Weltpolitik eine wichtigere Rolle als Brüssel.

Dass der Westen immer noch glaubt, es wäre möglich, China auf die Seite des Westens zu ziehen, ist illusorisch. China steht immer nur auf Chinas Seite und will Geschäfte machen. Das lässt sich am besten im BRICS-Rahmen organisieren, wo China auch einen militärischen Puffer vorfinden wird, wenn es dann in absehbarer Zeit nach Taiwan greifen wird.

Das Versinken in der politischen Bedeutungslosigkeit ist ein selbstverschuldetes Schicksal der Europäischen Union, die es nach dem Referendum für den Brexit versäumte, das damals zugesagte „neue europäische Projekt“ aufzusetzen, mit einer neuen Geschäftsordnung und vor allem, der Abkehr der geradezu lächerlichen Regel der Einstimmigkeit. Doch diese Brüsseler Schlafmützigkeit kommt Europa heute teuer zu stehen, denn das Wort der Europäer hat international kein Gewicht mehr.

Seltsamerweise führen diese offensichtlichen Umstände aber nicht dazu, dass man in Brüssel aktiv wird und die längst überfälligen institutionellen Reformen angeht. Ursula von der Leyen und Charles Michel scheinen mit ihrer eigenen Bedeutungslosigkeit prima klarzukommen und den Chefs der Europäischen Kommission und des Europäischen Rats scheint es gar nicht so unpassend zu kommen, dass sie in den aktuellen Weltkrisen keine allzu wichtige Rolle zu spielen haben.

Nur während der Westen weiterhin schläft, macht Russland Außenpolitik und das ziemlich erfolgreich. Dass nun Belarus offen an der Seite Russlands in Peking und Teheran für eine engere Zusammenarbeit wirbt, sollte man ausnahmsweise einmal im Westen ernstnehmen. Denn in Belarus stehen nach wie vor viele russische Soldaten und erneute Angriffe auf den Norden der Ukraine sind alles andere als ausgeschlossen. Bleibt die Frage, warum der Westen das diplomatische Parkett Moskau überlässt, das seinen Handlungsspielraum so gut wie möglich nutzt?

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