Neven Mimica: „Jetzt heißt es, Verbraucherrechte umzusetzen!“

Der EU-Kommissar für Verbraucherschutz, der Kroate Neven Mimica, war gestern im Parlament in Straßburg zur Präsentation der neuen App „ECC-Net: Travel“. Gespräch.

EU-Kommissar Neven Mimica will den europäischen Verbraucherschutz nachhaltig gestalten. Foto: © Kai Littmann

(KL) – Er war extra zur Präsentation der neuen App des Netzwerks der Europäischen Verbraucherzentren ECC-Net nach Straßburg gekommen. Der kroatische EU-Kommissar Neven Mimica, der nicht nur acht Jahre lang kroatischer Minister für die Europäische Integration war, sondern seit 2011 auch stellvertretender Ministerpräsident Kroatiens ist, hat sehr klare Vorstellungen, wie es mit dem Verbraucherschutz in Europa weitergehen soll. Eurojournalist(e) hatte Gelegenheit, mit Neven Mimica zu sprechen.

Herr Kommissar, Sie sind heute zur Präsentation der App „ECC-Net: Travel“ nach Straßburg gekommen. Was ist so besonders an dieser App, dass Sie dafür so weit reisen?

Neven Mimica: Wissen Sie, eines unser Hauptziele ist es, den europäischen Verbrauchern den greifbaren Nutzen unserer Arbeit so nahe wie möglich zu bringen. Diese App bietet den Verbrauchern Wissen über ihre Rechte und gleichzeitig eine sprachliche Hilfe, die es ihnen ermöglicht, diese Rechte auch auszuüben. Wir haben ganz bewusst diesen Julianfang für den Launch dieser App gewählt, denn dies ist auch der Start in die Ferien- und Reisezeit und wir möchten natürlich, dass so viele Menschen wie möglich diese sehr, sehr nützlich App verwenden.

Diese App ist das Ergebnis der Zusammenarbeit innerhalb des Europäischen Netzwerks der Verbraucherzentren. Dieses Netzwerk ist eine großartige Erfolgsgeschichte für die Verbraucherpolitik in der Europäischen Union. Es gibt in jedem einzelnen Mitgliedsstaat der EU, sowie in Norwegen und Island, ein solches Verbraucherzentrum, das Verbrauchern dabei hilft, ihre Rechte geltend zu machen, wenn es Probleme beim grenzüberschreitenden Einkaufen oder bei Dienstleistungen gibt. Das ECC-Netzwerk entwickelte diese App für Reisende in ganz Europa und jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, sie der Öffentlichkeit vorzustellen.

Kann man also sagen, dass diese App etwas ist, mit dem die Menschen Europa als etwas Positives und hilfreiches empfinden?

NM: Ja, das kann man so sagen. Es ist ein Werkzeug, das für die Bürger das europäische Recht wieder auf eine „Graswurzelebene“ bringt, damit ihnen dieses Verbraucherrecht immer dann zur Verfügung steht, wenn sie reisen und Probleme bei Flugreisen haben, im Zug, im Hotel – wann immer sie ein Problem haben, können sie sofort nachschauen, welche Rechte sie haben und dazu gibt es den Sprachteil der App, der den Menschen ermöglicht, dem Händler oder Dienstleister das Problem in einer mitzuteilen, die dieser versteht.

Werden Sie in der neuen Legislaturperiode in Ihrem Ressort, also dem Verbraucherschutz bleiben?

NM: Diese Frage sollten Sie vielleicht eher dem neuen Präsidenten der EU-Kommission stellen. Es ist normalerweise üblich, dass Kommissare, die auch in der neuen Kommission sitzen, ihr Ressort nicht behalten. Von dieser Gewohnheit hat es bisher nur sehr, sehr wenige Ausnahmen gegeben. Im meinem Fall könnte es eventuell anders aussehen, da ich erst seit einem Jahr EU-Kommissar für Verbraucherpolitik wurde, am 1. Juli letzten Jahres, als Kroatien EU-Mitglied wurde. Vielleicht wird diese Zeit ja als eine Art „Auswärmphase“ für diese Position betrachtet… Wenn man mich fragen würde, wäre meine Antwort: Ja, ich mag dieses Ressort, ich arbeite gerne für den Verbraucherschutz, denn dies ist etwas sehr Wertvolles und Positives, was wir den Bürgern anbieten können und wir brauchen ganz viele Politikfelder, bei denen die Menschen das Gefühl haben, dass dort etwas für sie gemacht wird. Die Verbraucherpolitik ist eine Politik, die viele Antworten auf häufig gestellte Fragen bietet. Von denen die erste Frage lautet: „Ich bin europäischer Bürger – was kann Europa für mich tun?“

Trotz bislang kurzer Amtszeit – Sie haben doch bereits einiges erreicht. Gerade erst hatten wir den Stichtag für die nationale Umsetzung der neuen Verbraucherrechterichtlinie und die nächste Stufe der Absenkung der Roaminggebühren wurde erreicht. Im Thema Verbraucherschutz ist viel Bewegung und die Menschen legen viel Wert darauf. Gehen wir einmal davon aus, Sie bleiben in Ihrem Ressort – welches wären die großen Ziele, die Sie in der nächsten Amtsperiode in den Vordergrund stellen?

NM: Um die Verbraucherpolitik für die Bürger sicht- und greifbarer zu machen, will ich weiter an der Konsolidierung der rechtlichen Rahmenbedingungen arbeiten. Ich glaube nicht, dass es momentan auf europäischer Ebene einen Bedarf nach großen rechtlichen Initiativen gibt, mit denen die Verbraucherrechte oder die Produktsicherheit gestärkt werden können, denn das aktuelle Niveau in Europa in diesen Bereichen ist im Vergleich zu anderen Regionen der Welt sehr hoch. Unsere Aufgabe liegt also darin, ein nachhaltiges rechtliches Regelwerk für den Verbraucherschutz zu schaffen. Hierzu laufen noch zwei Gesetzesvorhaben, die allerdings noch nicht fertig sind.

Dann kommen wir zur Umsetzung, meiner obersten Priorität. Die Umsetzung europäischen Rechts liegt zu 100 % bei den nationalen Gesetzgebern. Wir bei der Kommission müssen also eine stärkere Koordinationsfunktion zwischen den nationalen Behörden einnehmen, um gemeinsam beste Praktiken bei der Umsetzung von Verbraucherrechten und der Überwachung der Produktsicherheit zu entwickeln. Eine solche Koordination ist auch da nötig, wo es zu wiederholten Verstößen im grenzüberschreitenden Handel kommt und bei denen mehrere Mitgliedsstaaten involviert sind. Wir müssen hier alle voneinander lernen und diejenigen, die mit der Umsetzung des Verbraucherrechts auf nationaler Ebene betraut sind, müssen auch von den besten Praktiken der anderen Länder lernen. Dies wäre also die oberste Priorität – die Verbesserung der Koordination, eine Harmonisierung in der Umsetzung des Verbraucherrechts auf nationaler Ebene.

Die dritte Priorität ist eine bessere Kommunikation. Ich möchte aus dem alten Schema der Verbraucherpolitik mit ihren beiden Standbeinen des Verbraucherpolitik und der Produktsicherheit heraus kommen, hin zu einer größeren Bewusstseinsbildung bei den Verbrauchern selbst. Die Verbraucher müssen ihre Rolle in der Wirtschaft besser verstehen, als Akteure, die viel dazu beitragen können, den Motor der Dynamik des Aufschwungs anzutreiben.

Gerade in Zeiten von Krisen sind Verbraucher und der Konsum selbst zwei sehr wichtige Faktoren für Wachstum und Aufschwung. Aber dies passiert nur, wenn die Verbraucher Vertrauen haben. Sie müssen gut über ihre Rechte informiert werden und sie müssen Vertrauen haben, dass diese Rechte auch greifen und dazu müssen sie das Gefühl haben, dass der Markt für sie arbeitet. Eine bessere Kommunikation in diesem Bereich erfordert, dass alle an einem Tisch sitzen – die zuständigen nationalen Behörden, nationale Verbraucherverbände, die Verbraucher selbst. Über einen solchen Prozess verstehen die Verbraucher auch ihre wirklich Rolle und Bedeutung in der Wirtschaft.

Bedeutet das auch, dass Kooperationen wie diese mit dem ECC-Netzwerk ein wichtiges Element für eine so verbesserte Kommunikation sind? Wie beispielsweise mit dieser App?

NW: Auf jeden Fall! Deshalb bin ich heute ja auch hier in Straßburg!

Herr Kommissar, vielen Dank für das Gespräch.

Tipp: Die App “ECC-Net: Travel” gibt es für Android, IOS und Windows Phone in den jeweiligen Stores. Die App ist kostenlos.

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