„Nicht schön, aber leider notwendig“…

Deutschland macht Schritt für Schritt wieder seine Grenzen dicht. Mag sein, dass dies eine sinnvolle sanitäre Maßnahme ist, doch seit einem Jahr schaffen es die deutschen Behörden nicht, sich mit den europäischen Partnern abzustimmen.

Grenzkontrollen zwischen Kehl und Strasbourg gab es schon 1840... Foto: Schweizerische / Nationalbibliothek / GS GUGE BLEULER-2b / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Die Nerven an der deutsch-tschechischen und der deutsch-österreichischen Grenze nach Tirol liegen blank. Bis zu sechs Stunden mussten die Menschen gestern vor diesen Grenzen im Stau stehen, wobei die meisten auch nach der langen Wartezeit abgewiesen wurden. Und einmal mehr beschließen die deutschen Behörden Maßnahmen, die nicht mit den europäischen Partnern abgestimmt worden sind. Zumindest diese Abstimmung soll an der deutsch-französischen Grenze besser gemanagt werden, doch kann man auch für diese Grenze eine weitere Verschärfung nicht mehr ausschließen.

Das erste, was sich ändert, ist der politische Diskurs. Wenn heute der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans ankündigt, dass man „strengere Kontrollen [an der Grenze] nicht ausschließen kann“, dann sagt das eine Menge darüber aus, was gerade vorbereitet wird. Und dass diese Aussage ausgerechnet von Tobias Hans stammt, der bisher alles daran gesetzt hat, die Grenze zwischen Frankreich und dem Saarland offen zu halten, sagt bereits vieles aus. Allerdings will man dieses Mal die Maßnahmen etwas hübscher verpacken. So ähnlich wie bittere Medizin auf Zuckerstückchen. Sollte es wieder Kontrollen und auch Tests geben, die zusammen mit den Nachbarn organisiert werden sollen, dann soll dies „idealerweise nicht entlang der ehemaligen Schlagbäume“ erfolgen. Immerhin will man also so tun, als wären das keine Grenzkontrollen, sondern ganz normale Verkehrskontrollen. Denn niemand will sich, wie im März 2020, dem Vorwurf aussetzen, die Grenze geschlossen zu haben. Doch faktisch schließt sich auch die deutsch-französische Grenze jeden Tag ein Stückchen mehr.

In diese Situation haben sich alle Beteiligten selbst manövriert. Dadurch, dass unsere politisch Verantwortlichen auch nach einem Jahr nicht verstanden haben, dass es wenig Sinn macht, in Grenzregionen unterschiedliche Regelungen zu verhängen, sorgt man dafür, dass sich a) dieses Virus immer weiter verbreiten kann und b), sich die auf beiden Seiten der Grenze getroffenen Maßnahmen zum Teil gegenseitig neutralisieren. Doch statt es auf neuen Wegen zu versuchen, durch eine europäische Anstrengung die Pandemie gemeinsam zu bekämpfen, machen alle weiterhin das, was ihnen gerade einfällt und wundern sich dann, dass die Inzidenzen in den Grenzregionen völlig unterschiedlich sind. So liegt die 7-Tage-Inzidenz in der Region Grand Est bei rund 170, während sie sich auf der deutschen Seite nun der ominösen 50er-Marke nähert. Alleine der Umstand, dass in Frankreich die Geschäfte geöffnet, in Deutschland aber geschlossen sind, sorgt für regen Grenzverkehr, der aber auch schon demnächst gestoppt werden konnte. „Je nachdem wie sich die [neuen] Varianten nun auch bei unseren grenzüberschreitenden Nachbarn ausbreiten, können auch wir strengere Kontrollen der Menschen, die sich über die Grenze bewegen, nicht ausschließen”, sagte Tobias Hans und so eine Aussage hatten wir von ihm bislang nicht gehört.

Die europäischen Nachbarn sind sauer, es mehren sich die Stimmen in den betroffenen Ländern, die Einreisestopps für Deutsche fordern. Da ändert auch die Kritik aus Brüssel nicht viel. Der Staatssekretär im Innenministerium Stephan Mayer, meinte nur, dass diese Maßnahmen „nicht schön, zum jetzigen Zeitpunkt aber leider notwendig“ seien. Notwendig wäre es gewesen, im Laufe des letzten Jahres eine europäische Pandemie-Strategie zu entwickeln und diese konsequent anzuwenden.

Ausnahmen gibt es wie immer für den innereuropäischen Warenverkehr und auch Berufspendler dürfen weiterhin das Virus zwischen den europäischen Ländern hin- und hertragen. Das wird sicherlich auch weiterhin so bleiben, denn das gute Funktionieren des Binnenmarkts zählt in Brüssel und den europäischen Hauptstädten mehr als alles andere. So wird auch die Waren-Freizügigkeit deutlich höher eingestuft als die Personenfreizügigkeit, die bei dieser aktuellen Entwicklung auf der Strecke bleibt. Doch ist die Mobilität in Europa heute kein „nice to have“, sondern eine der größten Errungenschaften der europäischen Einigung. Ist es wirklich einfacher, den europäischen Gedanken an die Wand zu fahren, statt sich gemeinsam hinzusetzen und eine europäische Strategie zu erarbeiten? Dass nun auch überzeugte Europäer wie Tobias Hans in die nationale Einigelung einsteigen, statt zu insistieren, dass echte europäische Lösungsansätze entwickelt werden, ist ein ganz schlechtes Zeichen. Ist das schon die europäische Götterdämmerung?

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