Niger – die Würfel sind gefallen

Die neue Militärregierung Nigers hat sich eingerichtet und ist meilenweit davon entfernt, die Macht wieder in demokratisch gewählte Hände zu legen. Die Nachbarstaaten sind hilflos und zerstritten.

Die Chancen, dass der demokratisch gewählte Präsident Mohamed Bazoum je wieder in sein Amt zurückkehrt, stehen mehr als schlecht. Foto: Bogdan Hoyaux / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Wird Westafrika nun auch zum Kriegsschauplatz? Das zumindest ist die Drohung der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS, die fordert, dass der rechtmäßig gewählte und seit dem Putsch imNiger unter Hausarrest stehende Präsident Mohamed Bazoum wieder eingesetzt wird. Doch ein diesbezügliches Ultimatum ist verstrichen und auch die Drohung einer militärischen Intervention beeindruckt in Nigers Hauptstadt Niamey niemanden. Dass auch die Afrikanische Union (AU) die Mitgliedschaft Nigers vorerst auf Eis gelegt hat, ändert nichts an der Lage.

Ein Blick auf die Karte Westafrikas zeigt die Entwicklung auf. Nach Burkina Faso und Mali, in denen ebenfalls die Militärs die Macht übernommen haben, und deren Mitgliedschaft in der AU auch suspendiert wurde, ist der Niger nun das nächste Land, das den Weg der Demokratie verlassen hat und sich lieber mit der Wagner-Truppe und Russland zusammentut. Das Konzept der Demokratie, das die früheren Kolonialmächte nach Afrika exportiert haben, ist kein Erfolgsmodell mehr, sondern wird in vielen afrikanischen Ländern als Relikt der Kolonialzeit betrachtet. Das liegt unter anderem daran, dass die früheren Kolonialmächte nach der Unabhängigkeit vieler afrikanischer Länder 1960/61 weiter die früheren Kolonien ausgebeutet hatten und der Kolonialismus eigentlich nur auf dem Papier beendet wurde.

Dennoch kann man nicht wirklich von einer „afrikanischen Emanzipation“ sprechen, denn Länder wie der Niger, Mali oder Burkina Faso haben lediglich die „Schutzmacht“ gewechselt. Statt an Frankreich lehnt man sich nun lieber beim „russischen Freund“ an, was lediglich neue Abhängigkeiten schafft, dieses Mal von einem militärisch aggressiven Land, dessen Söldnertruppen mit großer Brutalität vorgehen. Langfristig werden diese Länder mit ihren „neuen besten Freunden“ auch nicht viel mehr Freude haben als mit den Kolonialmächten.

Immerhin, sowohl die ECOWAS wie die AU gehen mit der Lage im Niger intelligenter um als die Europäer im Ukraine-Krieg. Statt sich mit „Hurra!“ ins Töten zu stürzen, loten die westafrikanischen alle Möglichkeiten aus, die Lage im Niger ohne Blutvergießen zu regeln. Ob das möglich sein wird, ist allerdings fraglich.

Die ECOWAS ist sich darüber klar, dass eine militärische Intervention im Niger außerordentlich schwierig sein dürfte, da von den Anrainern eigentlich nur Nigeria in der Lage wäre, eine solche militärische Intervention zu organisieren. Doch in Nigeria ist man sich des unsicheren Ausgangs einer solchen Intervention bewußt und man zögert, bevor man ganz Westafrika in einen Krieg stürzt, der sich zum Flächenbrand ausweiten kann.

Die Vorstellung, dass der unter Hausarrest stehende Mohamed Bazoum mit militärischen Mitteln wieder eingesetzt werden könnte, ist illusorisch. Nicht nur, dass die Putschisten seit beinahe einem Monat ihre Macht gefestigt haben, dazu haben die neuen Machthaber um General Abdourahamane Tchiani angekündigt, im Falle einer militärischen Intervention den abgesetzten Präsidenten umzubringen. Niemand zweifelt daran, dass die Putschisten hierzu fähig sind.

Europa wird in dieser Situation nichts anderes übrigbleiben, als sich herauszuhalten. Kein europäisches Land kann heute vermittelnd eingreifen und der offene Hass, der den früheren Kolonialmächten heute in Afrika entgegenschlägt, ist die Quittung für eine menschenverachtende und ausbeuterische Politik, die von den europäischen Kolonialisten Jahrhunderte lang in Afrika geführt wurde und bis heute geführt wird. Doch hier erleben wir gerade eine echte Zeitenwende – „europäische Interessen“ in Afrika, wie sie häufig von Frankreich angeführt werden, spielen ab sofort in Afrika keine Rolle mehr.

Die ECOWAS und die AU werden alles daran setzen, einen Krieg in Westafrika zu vermeiden. Man muss davon ausgehen, dass in so einem Fall die Militärregierungen Burkina Fasos und Malis an der Seite des Niger eingreifen, ebenso wie die Wagner-Söldner, denn Russland wird sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, den europäischen Einfluß in Afrika ein für allemal zu beenden.

Wie es im Niger weitergeht, muss man abwarten. Doch deutet nichts darauf hin, dass sich die Lage in Westafrika beruhigen wird. Die Welt wird immer mehr zu einem Pulverfass, an dem mehrere Lunten brennen. Ob man die noch löschen kann?

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