Nixen haben es besser – Rusalka in der Rheinoper
In der Rheinoper beginnt der Saisonalltag – und gleich mit einem Großwerk des tschechischen Komponisten Antonín Dvořak: Rusalka, die Nixe aus der böhmischen Unterwasserwelt, besingt ab Freitag in Straßburg den Mond.
(Von Michaelo Magercord) – Was soll das Getue um die Liebe? Herzflimmern und Herzschmerz vollziehen sich im selben Organ, Liebe und Leiden sind nicht voneinander zu trennen. Da sollte man es doch besser machen wie die Nixen und einfach abtauchen. Die unbedarften Wassergeister kommen nur des Nachts ans Ufer, tanzen ihren fröhlichen Reigen, wenn sie niemandem begegnen, der ihr Herz zum Überschlagen bringen könnte. Zumal auch noch jeder männliche Mensch zum Tode verdammt ist, der die weiblichen Wassergeister zu Gesicht bekommt. Und so beherzigen die Nixen die Warnung ihres zuständigen Wassermanns: Macht bloß nicht den Fehler, zur falschen Zeit aufzutauchen und euch dann eben doch noch heillos in so einen dahergelaufenen Typen zu verknallen.
Oh Schreck, Rusalka ist genau das widerfahren! Wie konnte es passieren? Ausgerechnet Rusalka, die zartfühlende, muss dem Prinzen begegnen. Begegnen ist vielleicht das falsche Wort, sie erblickt ihn, als er auf den See starrt. Und dann erblickt er sie, und platsch!, da ist es schon geschehen: Liebe, Herzrasen und alles weitere, womit wir Landgeschöpfe ja bestens vertraut sind, ohne allerdings selbst zu wissen, wie sich das vermeiden ließe. Aber was hilft’s, die Nixe will das unbedingt selbst durchmachen und zum Menschenkind werden. Das geht aber nicht so leicht, und die mächtige Hexe Ježibaba macht ihr klar: Sollte das schiefgehen, seid ihr beide dran.
Um nicht allzu sehr ins amouröse Detail zu gehen und alle Windungen und Wirrungen vorwegzunehmen nur soviel: es geht natürlich schief – und damit ist die Geschichte von Rusalka mehr, als nur ein Märchen, sondern eine Abhandlung über die Natur des Menschenwesens und die Aussichtslosigkeit der Verwandlung seiner eigenen. Möge es trotzdem ein Märchen bleiben in Anbetracht der Versuche, heutzutage mithilfe von Eingriffen ins Erbgut und künstlicher Intelligenz die Substanz des Menschen grundlegend zu verändern – bald scheint es, dass wir alle lieber Nixen wären.
In der Oper von Antonín Dvořak – man muss es sich als Mensch eingestehen – singen die Nixen einfach am schönsten. Es gibt so wundervolle, wie es heute heißt: „postromantische“ Lieder und Passagen, dass man sich wundert, dass dieses herzenswarme Meisterwerk der Operngeschichte zum ersten Mal überhaupt in Straßburg gezeigt wird. Sollte es daran liegen, dass man in Frankreich nicht soviel mit den versponnenen, ihre Tiefe nur über poetische Umwege preisgebende Märchen anfangen kann? Wie ein tschechischer Regisseur von berühmten Märchenfilmen einmal sagte: Überallhin in Ost- und Mitteleuropa lassen sich die zarten Geschichten aus Böhmen exportieren, aber über den Rhein kommen sie einfach nicht hinüber – und wir fragen uns, wie die Franzosen ohne diese Märchenfilme, die in der Zeit zwischen den Jahren das deutsche Fernsehprogramm bestimmen, überhaupt in Weihnachtsstimmung kommen können?
Nun aber ist ein erster Schritt getan. In der Weihnachtshauptstadt Straßburg, dem westlichen Ort Mitteleuropas und dem östlichsten des Westens, wird die Märchenoper in der Regie von Nicola Raab, die hier zuvor schon Francesca di Rimini inszeniert hatte, und unter dem Taktstock von Antony Hermus, der gerade erst Mahlers Erste in der Philharmonie von Straßburg fulminant dirigierte, ab Freitag zu sehen und zu hören sein. Aber Achtung! Die Begegnung mit den Nixen wird nicht folgenlos bleiben: unkontrolliertes Herzflimmern setzt spätestes ein, wenn Rusalka ihr Lied an den Mond anstimmt – von wegen „post“-romantisch…
Rusalka – Märchenoper in drei Akten
von Antonín Dvořak aus dem Jahr 1901
Libretto von Jaroslav Kvapil nach Friedrich Heinrich Carl de la Motte-Fouqué
Musikalische Leitung: Antony Hermus
Inszenierung: Nicola Raab
Opéra Straßburg
FR 19. Oktober, 20 Uhr
SO 20. Oktober, 15 Uhr
DI 22. Oktober. 20 Uhr
Do 24. Oktober 20 Uhr
SA 26 Oktober, 20 Uhr
Mülhausen – La Filature
FR 8. November 20 Uhr
SO 10. November, 15 Uhr
Infos und Tickets unter: www.operanationaldurhin.eu
Kommende Veranstaltung:
Rezital mit Stéphanie d’Outrac
Lieder von Berlioz, Liszt, Viardot
SA 19. Oktober 20 Uhr
und noch einmal extra für Eltern mit Kindern:
SO 20 Oktober, 11 Uhr
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