Noch 72 Stunden bis zum politischen Erdbeben

Am Sonntag wird in Thüringen und Sachsen ein neuer Landtag gewählt. Und damit beginnt der Absturz der Republik in die Fänge der Rechtsextremen. Als ob wir das nicht schon mal gehabt hätten.

Ab Montag dürfte es im Thüringer Landtag in Erfurt ganz schön rund gehen... Foto: Alupus / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Am Sonntag startet der Rechtsruck in der Bundesrepublik Deutschland. Bei zwei der drei Landtagswahlen im September (in Brandenburg wird am 22. gewählt, allerdings führt auch dort die AfD in den Umfragen) wird die „gesichert rechtsextreme“ AfD laut Umfragen zur stärksten Partei werden. Zum ersten Mal seit 1945 drängen nun Rechtsextreme und selbsternannte „Faschisten“ wie Björn Höcke an die Macht und so, wie es heute aussieht, stehen die Chancen hoch, dass am Sonntagabend kein Weg mehr an dieser unsäglichen Partei vorbei führt. Demokraten werden sich künftig sehr warm anziehen müssen…

Dabei muss die AfD noch nicht einmal ein richtiges Programm präsentieren, sie profitiert von der unglaublichen Schwäche der Berliner „Ampel“ und auch von den jüngsten Ereignissen in Solingen. Es reicht der AfD, offen ausländerfeindlich und treudeutsch zu sein, um damit rund ein Drittel der Wählerschaft auf ihre Seite zu ziehen. Das wird natürlich dadurch erleichtert, dass der Prozentsatz der Deutschen, die den übrigen Parteien noch zutrauen, die aktuellen Probleme managen zu können, inzwischen im einstelligen Bereich angekommen ist.

Ab Sonntagabend wird man in Deutschland lange Gesichter machen, denn sowohl in Sachsen wie in Thüringen wird es Regierungskoalitionen nur mit der AfD und/oder dem BSW geben, wobei auch der Erfolg des BSW, das politisch nur sehr schwer zwischen links- und rechtsextrem zu verorten ist, in erster Linie dem jahrelangen Versagen der traditionellen Parteien zu verdanken ist, bei denen man es bislang nicht für nötig hielt, eine selbstkritische Analyse und entsprechende Kurswechsel durchzuführen. Das werden die Spitzen dieser Parteien dann am Sonntagabend versprechen, wenn einige von ihnen in den beiden Bundesländern vielleicht sogar an der 5 %-Hürde gescheitert sein werden.

Die Auswirkungen des Rucks nach Rechtsaußen werden vielfältig sein. Die AfD wird auch im Bund enormen Rückenwind erfahren, wo sie bereits mit 17 % zweitstärkste Kraft hinter der CDU ist. Dazu würde sich eine Regierungsbeteiligung der AfD auch im Bundesrat auswirken, der zweiten gesetzgebenden Kammer der Bundesrepublik. Und überhaupt – Regierungsbeteiligung… kann man überhaupt noch „Brandmauern“ gegen eine Partei aufrecht halten, die als stärkste Formation aus der Wahl hervorgeht? Wie schwierig bis unmöglich das ist, sieht man momentan in Frankreich, wo das Rassemblement-ex-Front National die stärkste Partei bei den vorgezogenen Parlamentswahlen wurde und die Nationalversammlung in eine schier unauflösbare Patt-Situation gebracht hat.

Dabei wäre es einfach, diesen Absturz ins letzte Jahrhundert zu verhindern – es würde reichen, wenn die Menschen ihr Kreuzchen nicht bei der AfD machen würden. Doch AfD wählen, das ist der Ausdruck einer generellen Ablehnung einer politischen Kaste, die völlig abgehoben im luftleeren Raum und ohne Bodenhaftung in der Bevölkerung agiert. Das Gefühl „denen da oben zeigen wir es jetzt mal“ herrscht bei vielen vor, die nicht unbedingt neonazistischem Gedankengut anhängen, dies aber billigend in Kauf nehmen. Die Weimarer Republik lässt grüßen.

Dass es die früheren Volksparteien („früher“, denn wenn die drei Ampelparteien in den Umfragen vor den Landtagswahlen in diesen drei Bundesländern nur noch zusammen (!) auf 12 % der Stimmen kommen, dann ist der Begriff „Volkspartei“ wohl fehl am Platz…) nicht geschafft haben, eine Politik zu führen, die die Wählerschaft nicht extremen Kräften wie AfD und BSW in die Arme treibt, ist eine traurige Bilanz, die Deutschland politisch durcheinander wirbeln wird.

Man darf jetzt schon gespannt auf die „Elefantenrunden“ am Sonntagabend sein, wenn die Parteispitzen erklären werden, dass sie geschockt sind, eigentlich eine tolle Politik gemacht, diese aber vielleicht nicht punktgenau kommuniziert haben. Richtungswechsel darf man von den traditionellen Parteien nicht erwarten, dazu sind ihre Apparate zu verkrustet und zu alt. Und so macht sich Deutschland zum zweiten Mal in einem Jahrhundert auf den Weg in die braune Ecke. Gelernt haben wir offensichtlich nichts aus unserer eigenen Vergangenheit.

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