Noch nie dagewesenes Leid…

11.000 Wissenschaftler aus 153 Ländern haben in einem Appell vor den Folgen des Klimawandels gewarnt, sollten nicht sofort entschlossene Maßnahmen ergriffen werden.

Wenn wir SO weitermachen, erreichen wir bald den "point of no return". Foto: Pascal Reeber / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0de

(KL) – Da werden es die „Klimaskeptiker“ nun etwas schwerer haben, als sich an einem 16jährigen Mädchen aus Schweden abzuarbeiten. 11.000 Wissenschaftler aus 153 Ländern haben in ihrem Appell, der in der Zeitschrift „BioScience“ erschienen ist, vor den dramatischen Folgen der durch den Klimawandel bedingten Erderwärmung gewarnt. Da passt es wie die Faust aufs Auge, dass die US-Regierung zum gleichen Zeitpunkt das Klimaabkommen von Paris aufkündigt, da dieses eine unfaire Belastung für die amerikanische Wirtschaft darstelle. Klarer hätte man seinen Standpunkt nicht machen können – wir opfern unseren Planeten auf dem Altar der Gewinnmaximierung von Aktionären.

Was nun, ihr „Klimaskeptiker“? Wollt ihr jetzt die individuellen CO2-Bilanzen dieser 11.000 Wissenschaftler bekritteln? Sie auffordern nachzuweisen, dass ihre Schuhe aus dem Fairen Handel stammen? Die dafür kritisieren, dass sie für ihre Forschungsarbeiten bezahlt werden? Oder werdet ihr gleich für teures Geld ein paar Gutachten einkaufen, aus denen dann hervorgeht, dass der Klimawandel nicht menschengemacht, sondern gottgewollt ist?

Im Zentrum der Kritik stehen vier Länder, denen Umweltthemen praktisch keine Rolle spielen: China, Indien, die USA und Russland. Das Ärgerliche ist, dass die restlichen Länder der Welt Anstrengungen unternehmen können, wie sie wollen – diese vier zeichnen für mehr als die Hälfte der Treibhausgas-Emissionen weltweit verantwortlich und damit eben auch für den dramatischen Anstieg der Erdwärme.

Die Auswirkungen dieser Erderwärmung sind auf vielen Ebenen für diesen Planeten existenzbedrohend. Das ökologische Gleichgewicht wird völlig aus den Fugen geraten und als Vorbote der kommenden Katastrophen erleben wir ein Artensterben, das schon längst unter unser aller Augen begonnen hat. Wir nähern uns mit atemberaubender Geschwindigkeit dem „Point of no return“, ab dem die weitere Entwicklung eine Eigendynamik entwickeln wird, die der Mensch dann nicht mehr steuern kann.

Für die Wissenschaftler ist eine der Konsequenzen, dass große Teile dieses Planeten schlicht und ergreifend nicht mehr bewohnbar sein werden. Und das wird zu Kettenreaktionen führen. Der Mangel an Nahrung wird zu riesigen Flüchtlingsbewegungen und einem erbarmungslosen Kampf um die letzten Ressourcen führen, und dieser Kampf wird immer erbarmungsloser werden, je mehr diese Ressourcen schwinden – zu Wasser, zu Lande und in der Luft.

Um die letzte Chance vor diesem „point of no return zu nutzen“, schlagen die Wissenschaftler sechs konkrete Maßnahmen vor, die allerdings nicht allzu lange diskutiert, sondern vor allem schnell umgesetzt werden müssen.

1. Eine radikale Energiewende – Fossile Brennstoffe (die ohnehin nur noch begrenzt vorhanden sind) müssen durch erneuerbare und saubere Energien ersetzt werden. Die Wissenschaftler schlagen sogar vor, auf die Förderung noch vorhandener fossiler Energieträger zu verzichten und die Umstellung auf alternative Energien sofort durchzuführen, um eine schnelle Senkung der Emissionen zu erzielen. Dazu ist ein grundsätzliches Umdenken erforderlich – die reichen Länder müssen die ärmeren Länder bei dieser Energiewende unterstützen.

2. Sofortige Abschaffung bestimmter Schadstoffe – Die Emissionen sogenannter „kurzlebiger Klimaschadstoffe“ wie Methan, schwarzer Kohlenstoff (Ruß) und teilhalogenierter Fluorchlorkohlenwasserstoffe (HFKW) müssen sofort drastisch reduziert werden. Hier besteht ein Potential, den Anstieg der Erderwärmung in relativ kurzer Zeit um mehr als 50 % zu senken, was gleichzeitig die Ernteerträge steigert und damit die Ernährungslage verbessert. Die Wissenschaftler sprechen davon, dass durch diese Maßnahme Millionen Menschenleben gerettet werden können.

3. Schutz und Wiederherstellung von Ökosystemen - Auch das wird nicht einfach, denn dieses Thema betrifft praktisch alle Lebensräume auf diesem Planeten. Der Appell spricht von Phytoplankton, Korallenriffen, Wäldern, Savannen, Grasland, Feuchtgebieten, Mooren, Böden, Mangroven und Seegräsern, da diese CO2 binden und damit ebenfalls ein wesentliches Element beim Aufhalten der Erderwärmung sein können. Die Artenvielfalt muss geschützt werden, ebenso wie die noch existierenden Wälder. Doch darf man nicht vergessen, dass momentan, trotz aller wohlklingenden Abkommen und Absichtserklärungen, genau das Gegenteil passiert – unter dem Hinweis auf Wirtschaftswachstum und Gewinnmaximierung.

4. Ernährung - künftig müssen mehr pflanzliche Lebensmittel auf die Teller kommen und der Verzehr tierischer Produkte muss stark reduziert werden, vor allem von wiederkäuenden Tieren. So blöd es auch klingen mag, die Methangase, die von den riesigen Viehbeständen in die Luft gepupst werden, sind enorm und tragen ganz wesentlich zur Klimaveränderung bei. Der Appell erwähnt ebenfalls die Notwendigkeit, die riesigen Mengen an Lebensmittelabfällen zu reduzieren.

5. Wirtschaft – Ob die Welt hier einen Richtungswechsel schafft? Wir müssen uns von einer auf Wachstum um jeden Preis konzentrierten Wirtschaftsordnung verabschieden und die wirtschaftlichen Aktivitäten am Allgemeinwohl der Menschheit ausrichten. Wirtschaft muss sich künftig auf die Grundbedürfnisse des Menschen einstellen, und auf die Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen. Heute leben wir in einer Welt, in der alles der Gewinnmaximierung von 1 % der Weltbevölkerung unterworfen ist – doch leider müssen die sofort erforderlichen Maßnahmen von denjenigen initiiert werden, die als Mitglieder dieses 1 % am meisten vom aktuellen Status Quo profitieren.

6. Entwicklung der Weltbevölkerung - Immer noch wächst die Weltbevölkerung jährlich um ungefähr 80 Millionen Menschen. Das ist so, als würde die Weltbevölkerung jedes Jahr um einmal Deutschland wachsen. Die Wissenschaftler plädieren für eine verantwortungsvolle Geburtenkontrolle und fordern die sofortige Gleichstellung von Mann und Frau, damit auch Frauen mehr Entscheidungskontrolle über Geburten haben. Denn das ist leider in vielen Regionen der Welt nicht der Fall.

Uns stehen mächtige Veränderungen ins Haus, so oder so. Entweder machen wir weiter wie bisher, dann sind die Katastrophen nicht mehr aufzuhalten. Dann werden wir uns mit Phänomenen wie Hungersnöten vertraut machen müssen, oder auch mit riesigen neuen Flüchtlingswellen, wenn beispielsweise Millionen Niederländer durch Europa irren, weil drei Viertel ihres Landes in der Folge des Abschmelzens der Pole und des damit verbundenen Anstiegs des Meeresspiegels unter Wasser stehen.

Als ermutigend stufen die Wissenschaftler ein neues Bewusstsein für diese Thematik ein – das sich bisher allerdings nur in schön formulierten Absichtserklärungen, Zieldefinitionen und Selbstverpflichtungen äußert, die nur dummerweise niemand einhält.

Was allerdings nicht in diesem Appell steht, ist dass wir gleichzeitig auch unsere Bildungssysteme reformieren müssen – damit besser informierte Menschen endlich aufhören, diejenigen zu wählen, die genau dieses ins Verderben führende Wirtschaftssystem mit Zähnen und Klauen verteidigen. Und jedem von muss muss klar sein, dass die sofort erforderlichen Maßnahmen auch das Leben jedes und jeder einzelnen massiv verändern werden. So stehen wir also vor der Wahl, entweder diese Veränderungen vorzunehmen oder abzuwarten, bis diese Katastrophen nie gekannten Ausmaßes auf uns zurollen. Doch bevor wir uns dann um diese Themen kümmern, verbringen wir unsere Zeit lieber damit zu untersuchen, ob Greta Thunbergs Flugtickets nach New York überhaupt rechtmäßig erworben wurden. Ob der Mensch in der Lage ist, so radikal umzudenken?

Sie können den ganzen Appell auf englischer Sprache nachlesen, wenn Sie HIER KLICKEN!

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