Nun soll die EU es richten…

Boris Johnson bekommt seinen Brexit nicht gebacken. Angesichts der britischen Unfähigkeit, nach 5 Jahren so etwas wie einen Brexit-Plan zu entwickeln, soll es nun die EU richten. Aber das kann Johnson abhaken.

Dass in Nord-Irland nun die Regale leer bleiben, ist ein rein britisches Problem, das in London und nicht in Brüssel zu regeln ist. Foto: Maksym Kozienko / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) –„Wir werden nicht neu verhandeln“, ließ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wissen. Zwar sei die EU bereit, „kreativ und flexibel“ mit der Nordirland-Frage umzugehen, doch eine Nachverhandlung des Brexit-Abkommens werde es nicht geben. Und da hat Von der Leyen Recht – es ist geradezu pathetisch, dass die Briten es in fünf Jahren nicht geschafft haben, eine konkrete Perspektive für ihren Brexit zu entwickeln. Die Probleme, mit denen sich London jetzt auseinandersetzen muss, liegen seit Jahren auf dem Tisch. Doch hielt es niemand in London für nötig, sich um diese konkreten Probleme zu kümmern. Jetzt danach zu rufen, dass doch bitteschön die EU die britischen Probleme lösen soll, ist schon fast lächerlich.

Worum geht es? Faktisch ist durch den Brexit eine EU-Außengrenze zwischen der unabhängigen Republik Irland (EU-Mitglied) und der britischen Provinz Nord-Irland entstanden. Doch hier soll vermieden werden, eine „echte Grenze“ zwischen Irland und Nord-Irland einzuziehen, da von beiden Seiten befürchtet wird, dass dies zu einem erneuten Aufflammen des Irland-Konflikts führen könnte, nachdem dort seit 30 Jahren ein hoch sensibler Frieden herrscht. Um dies zu vermeiden, wurde im Rahmen eines Zusatzprotokolls faktisch eine Grenze zwischen Nord-Irland und Großbritannien eingeführt. Dadurch gehört Nord-Irland weiterhin, allerdings zeitlich begrenzt, zum EU-Binnenmarkt, was wiederum zu der abstrusen Situation führt, dass der Warentransport nach Nord-Irland erheblich behindert ist. Dies führt inzwischen sogar schon zu Versorgungsengpässen in Nord-Irland, was die britische Regierung nun veranlasst hat, die EU aufzufordern, das Abkommen neu zu verhandeln, um die Situation zu entschärfen.

Doch irgendwann reicht es. - Großbritannien ist nicht mehr Mitglied der EU und muss jetzt eben seine durch den Brexit entstandenen Probleme alleine lösen. Fünf Jahre hatten die Briten Zeit, unter drei Regierungschefs (David Cameron, Theresa May und Boris Johnson) die zum Brexit gehörenden Fragen zu lösen. Nur – zu keinem Zeitpunkt hatten die Briten eine konkrete Vorstellung, was der Brexit eigentlich bedeutet. Wie besoffen von den nationalistischen Parolen der „Brexiteers“, die den Eindruck erweckten, der Brexit würde Großbritannien wieder zu alter Größe wachsen lassen, kümmerte sich London um überhaupt nichts. Doch ein Abenteuer wie den Brexit kann man mit „ach, das wird sich schon irgendwie regeln“ nicht bewältigen. Nur – das ist nicht das Problem der EU, sondern das Problem der Briten, die immerhin zweimal die Chance an den Wahlurnen hatten, den Johnson-Wahnsinn zu stoppen. Und damit ist das nun ein rein britisches Problem und Ursula von der Leyen hat völlig Recht, dieses Problem dort zu belassen, wo es hingehört.

Der Brexit hat die EU genug Zeit, Nerven und Geld gekostet. Und es ist auch nicht Aufgabe der EU, den britischen Ausstieg aus der EU so angenehm wie möglich für die Briten zu organisieren. Das müssen die Briten nun schon selber machen und wenn sie erst jetzt, nach fünf Jahren, merken, dass die Nordirland-Frage irgendwie geregelt werden muss, dann sollte man sich auf der Insel eher die Frage stellen, wofür man eigentlich Parlamentarier und eine Regierung bezahlt, die offenbar nicht einmal in der Lage ist, die eigenen Projekte zu planen.

Dass nun in Nord-Irland die ersten Regale in den Geschäften leer bleiben, da den Briten ihre eigene Grenze zwischen dem Mutterland und der Provinz auf der irischen Insel zu kompliziert ist, das ist schade für die Nord-Iren und ein Problem, das gefälligst zwischen London und Belfast zu regeln ist. Blöd für die Nord-Iren, aber daran hätte man vorher denken können. Den Umstand, dass die Grenzfrage zwischen der EU, der Republik Irland und Nord-Irland zu klären ist, kennt man seit fünf Jahren. Da ist das Ansinnen, die EU möge doch jetzt die Verträge nachverhandeln, geradezu lächerlich. Zumal, wenn man die zahlreichen Fristverlängerungen bedenkt, die seitens der EU immer wieder eingeräumt wurden, weil sich die Briten nicht darüber klar wurden, was sie eigentlich mit ihrem Brexit wollten. Aber jetzt ist fertig verhandelt und in London soll man halt schauen, wie man klarkommt.

Die Alternative ist klar. Wenn sich London weiterhin weigert, die Verträge korrekt umzusetzen, dann wird es eben die von niemandem gewollte EU-Außengrenze zwischen der Republik Irland und der britischen Provinz Nord-Irland geben. Sollte das zu einem Neustart des Irland-Konflikts führen, wäre das sehr bedauerlich, aber für jedwede Proteste gibt es nur eine Adresse, an die sich die Nord-Iren zu wenden haben: Downing Street 10 in London.

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